Erbe ausschlagen: Fristen, Kosten und Risiken
Beim Thema Erbe denken viele Menschen an hinterlassene Villen, hohe Geldsummen auf lange vergessenen Bankkonten und Häuser in bester Lage. Eine romantisierte Vorstellung, die sich so leider selten in der Praxis wiederfindet. Denn oftmals hinterlassen Verstorbene statt eines großen Vermögens hohe Schulden als Erbe. Erben müssen dann mit ihrem Privatvermögen für baufällige Immobilien oder offene Kredite haften, wenn sie das Erbe nicht rechtzeitig ausschlagen. Andere Hinterbliebene erhalten vielleicht keinen Schuldenberg, möchten jedoch aus persönlichen oder steuerrechtlichen Gründen nicht erben.
Was also tun, wenn man nicht erben will? Als potenzieller Erbe oder potenzielle Erbin sollte jede*r über die eigenen Rechte und Pflichten im Bilde sein. Erfahren Sie hier, was Sie über die Erbausschlagung wissen müssen und welche Fristen und Kosten mit dem Ausschlagen eines Erbes verbunden sind.
- Wann ist es sinnvoll, das Erbe auszuschlagen?
- Wie kann ich ein Erbe ausschlagen?
- Erbschein beantragen: Vorsicht vor voreiliger Annahme des Erbes
- Was tun bei voreilig angenommenem oder voreilig ausgeschlagenem Erbe?
- Was passiert, wenn alle Erben das Erbe ausschlagen?
- Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich ein Erbe ausschlage?
- Erbausschlagung: welche Fristen muss ich beachten?
- Muss ich das Erbe ausschlagen oder gibt es Alternativen zur Erbausschlagung?
Erbausschlagung: Das Wichtigste in Kürze
- Niemand muss eine Erbschaft annehmen. Jeder Erbe und jede Erbin kann laut § 1944 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb von 6 Wochen ab Kenntnis der Erbschaft ein Erbe ausschlagen. Das Recht darauf ist in § 1942 BGB geregelt.
- Eine einfache Mittelung an die Familie, dass man nicht erben möchte, genügt nicht. Sie müssen das Erbe beim Nachlassgericht, also beim Amtsgericht des eigenen Wohnsitzes oder dem des Erblassers, ausschlagen.
- Das Erbe geht immer auf die nächste Person in der Erbfolge über. Haben Sie also minderjährige Kinder, die beispielsweise Schulden erben würden, sollten Sie die Erbschaft auch für diese ausschlagen.
- Wer Schulden erbt, muss diese selbst begleichen – und das in der Regel innerhalb von 3 Monaten. Klappt das nicht, haftet der Erbe oder die Erbin mit dem eigenen Privatvermögen.
Wann ist es sinnvoll, das Erbe auszuschlagen?
Die sogenannte Vermögensverschiebung tritt nach § 1942 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) durch Tod ein und dadurch, dass der Erbe Inhaber des Vermögens des Verstorbenen wird. Einfacher gesagt: Das gesamte Vermögen oder die gesamten Schulden einer Person gehen an eine Erbin oder einen Erben über, wenn der Erblasser verstirbt. Zusätzlich müssen Sie dann auch die Mietwohnung der oder des Verstorbenen räumen und für die Bestattungskosten aufkommen, wenn nicht schon im Voraus Regelungen getroffen wurden.
Oft wollen potenzielle Erbinnen und Erben jedoch nicht erben – etwa aus persönlichen oder steuerlichen Gründen. Oder schlichtweg, weil der Nachlass aus (Kredit-)Schulden besteht oder mit hohem finanziellen Aufwand verbunden ist. In manchen Fällen kann es deshalb sinnvoller sein, ein Erbe auszuschlagen. Meist listen Verstorbene in einem Testament auf, was sie wem vermachen möchten. Oft erwartet Erben jedoch eine böse Überraschung, wenn kein Testament hinterlassen wurde und ein riesiger Schuldenberg ans Licht kommt. Oft verzichten Hinterbliebene auf Ihr Erbe, wenn nach Nachforschungen einer der folgenden Fälle auftritt:
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Sanierungsbedürftige Immobilie
Wenn der Erblasser Ihnen eine Immobilie hinterlässt, können Sie natürlich Glück haben und eine top-gepflegte Immobilie erhalten, die Sie lediglich ausräumen müssen. Oftmals tritt aber das Gegenteil ein. Dabei kann eine stark sanierungsbedürftige Immobilie schnell ins Geld gehen: Von Kosten für eine neue Fassade über den Einbau einer energiesparenden Heizungen bis hin zur umfangreichen Kernsanierung kann Sie alles erwarten. Steht also im Raum, dass Sie eine Immobilie erben, lassen Sie sich am besten von einem neutralen Gutachter beraten.
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Hohe Schulden des Verstorbenen
Durch offene Kredite, Hypotheken, unbezahlte Rechnungen oder Steuerschulden erscheint ein Erbe oft weitaus weniger attraktiv. Kommen dann noch ausstehende Unterhaltszahlungen hinzu, kann der Schuldenberg ins Unermessliche wachsen. Damit Hinterbliebene herausfinden können, was das Erbe alles beinhaltet und ob vielleicht noch Raten für das Haus ausstehen, müssen Sie in der Regel auch auf Bankkonten, Kreditverträge und Sparbücher zugreifen. Oftmals weigern sich Banken erst, Ihnen Auskunft zu erteilen. Stellen Sie also sicher, dass Sie nachweisen können, dass Sie der potenzielle Erbe eines Verstorbenen sind.
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Verschuldung oder Privatinsolvenz des Erben
Auch Schulden auf Seiten des Erben können problematisch sein. Denn nimmt ein verschuldeter Erbe den Nachlass an, müssen die Schulden mit Hilfe des Erbes beglichen werden. Das heißt: Das, was Sie erben, müssen Sie zur Schuldendeckung an Ihre Gläubiger oder Insolvenzverwalter weitergeben. Sofern danach noch Geld übrig bleibt, ist das gut. Es kann jedoch passieren, dass das gesamte Erbe in die Schuldendeckung fließt.
Wie kann ich ein Erbe ausschlagen?
Wer ein Erbe ausschlagen möchte, muss vor dem Nachlassgericht vorstellig werden, also persönlich dort erscheinen. Anders als oft angenommen und in Serien oder Film gezeigt, reicht es jedoch nicht aus, die Familie oder das zuständige Gericht nur darüber zu informieren. Sie müssen das Erbe per Ausschlagungserklärung ablehnen. Diese Erklärung benötigt das Nachlassgericht für die Erbfolge. Denn diese ist gesetzlich festgelegt und muss eingehalten werden – lehnt der erste potenzielle Erbe ab, geht die Erbfolge auf die nächsten potenziellen Erben über. Deshalb ist es besonders wichtig, ein überschuldetes Erbe auch für die eigenen minderjährigen Kinder auszuschlagen.
Gemäß § 1945 Abs. 1 BGB müssen Sie eine Ausschlagungserklärung entweder beim Nachlassgericht abgeben oder von einem Notar beglaubigen und an das Nachlassgericht senden lassen. Wenn Sie das Nachlassgericht nicht selbst besuchen können, besteht laut § 1945 Abs. 3 BGB auch die Möglichkeit, dass Sie eine dritte Person bevollmächtigen. Das kann beispielsweise ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin oder eine dritte Person sein – also jemand, den sie per Vollmacht bemächtigen. In diesen Fällen müssen Sie lediglich dafür sorgen, dass die Vollmacht, welche die jeweilige Person zum Handeln befugt, beglaubigt oder beurkundet und der Ausschlagungserklärung beigefügt ist. Es reicht nicht aus, wenn Ihr Vertreter oder Ihre Vertreterin ausschließlich eine beglaubigte Vollmacht hat.
Kurz zusammengefasst: Sie müssen nicht eigenständig zum Gericht, um das Erbe auszuschlagen. Auch eine Erbausschlagung durch einen Anwalt, durch einen Notar oder durch Dritte ist möglich. Damit Sie ein Erbe ausschlagen können, müssen Sie jedoch aktiv werden und dürfen nicht nur abwarten.
Gut zu wissen: Mit der Ausschlagungserklärung teilen Sie ausdrücklich mit, dass Sie ein Erbe und alle damit verbundenen Rechte und Pflichten, nicht annehmen. Sie haben also auch keinen Anspruch mehr auf den Pflichtteil. Wenn Sie bereits Gegenstände aus dem Nachlass entnommen haben, sind Sie verpflichtet, diese zurückzugeben.
Erbschein beantragen: Vorsicht vor voreiliger Annahme des Erbes
Wenn Sie dabei sind, den Nachlass zu prüfen und alle Aktiva und Passiva des Verstorbenen aufzulisten, kann es vorkommen, dass manche Institutionen Ihnen ohne Erbschein keine Auskunft geben wollen. Diesen sollten Sie jedoch auf keinen Fall beantragen, wenn Sie das Erbe erst prüfen wollen. Denn mit dem Erbschein nehmen Sie das Erbe an.
Was tun bei voreilig angenommenem oder voreilig ausgeschlagenem Erbe?
Haben Sie ein Erbe voreilig angenommen oder ausgeschlagen, können Sie dies unter bestimmten Umständen rückgängig machen bzw. anfechten. Hier können Sie sich beispielsweise darauf berufen, dass Ihnen wichtige Details zur Erbschaft nicht bekannt waren, dass unbekannte Vermögenswerte aufgetaucht sind oder Sie bedroht oder getäuscht wurden und das Erbe deshalb angenommen oder ausgeschlagen haben. Es empfiehlt sich jedoch, sich hier anwaltlich beraten zu lassen, um weitreichende Folgen zu vermeiden.
Exkurs Erbe prüfen: was muss ich alles in die Erbprüfung einbeziehen?
Grundsätzlich empfiehlt es sich immer, ein Erbe zu prüfen. Dies können Sie auf eigene Faust leisten und sich einen Überblick über Kontostände, Bankkonten, Bargeld, Wertgegenstände oder Wertpapiere verschaffen. Gleichzeitig sollten Sie jedoch auch eine Übersicht über mögliche Schulden erstellen. Hierunter fallen nicht nur offene Kredite, sondern beispielsweise auch die Bestattungskosten, Testamentseröffnungskosten, Kosten für die Nachlassverwaltung oder ausstehende Unterhaltszahlungen.
Was passiert, wenn alle Erben das Erbe ausschlagen?
Entscheidet sich jeder Erbe und jede Erbin dagegen, den Nachlass einer verstorbenen Person anzunehmen, tritt der Staat als Erbe ein. Im Gegensatz zum Erben, der gegebenenfalls mit seinem Privatvermögen für die Schulden des Verstorbenen aufkommen muss, haftet der Staat nicht. Geht das Erbe also an den Staat über, muss dieser nicht für die Schulden der oder des Verstorbenen bei seinen Gläubigern aufkommen.
Welche Kosten kommen auf mich zu, wenn ich ein Erbe ausschlage?
Beim Ausschlagen eines Erbes entstehen immer Kosten. Es wird jedoch zwischen zwei Arten der Ausschlagung unterschieden: Ein überschuldetes Erbe auszuschlagen ist nicht teuer. Zwar ist es mit Aufwand verbunden, weil Sie beim Nachlassgericht vorstellig werden müssen. Die Gebühr für die Erbausschlagung bei überschuldetem Erbe liegt jedoch gemäß Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) pauschal bei 30 Euro.
Wenn Sie ein Erbe ablehnen, das nicht überschuldet ist, müssen Sie mit höheren Kosten rechnen. Hier gilt: je höher der Wert des Nachlasses ist, desto höher werden die Kosten für das Verfahren.
Das kostet es, ein Erbe auszuschlagen:
Wert des Nachlasses | Gebühr |
Überschuldeter Nachlass | 30,00 Euro |
5.000 Euro | 30,00 Euro |
10.000 Euro | 37,50 Euro |
50.000 Euro | 82,50 Euro |
125.000 Euro | 150,00 Euro |
350.000 Euro | 342,50 Euro |
500.000 Euro | 467,50 Euro |
1.000.000 Euro | 867,50 Euro |
Zusätzlich können Ihnen Kosten entstehen, wenn Sie die Ausschlagungserklärung durch einen Notar oder eine Notarin aufsetzen lassen. Zwar können Sie die Erklärung zur Erbausschlagung auch selbst aufsetzen und müssen dann nur mit Notarkosten zwischen 20 Euro und 70 Euro rechnen. Allerdings sollten Sie sich im Vorfeld unbedingt beraten lassen, um sicherzugehen, dass keine unwirksamen Formulierungen in Ihrer Ausschlagung stehen.
Erbausschlagung: welche Fristen muss ich beachten?
Nach § 1954 BGB haben Sie 6 Wochen ab Kenntnisnahme des Erbfalls oder Erbanspruchs Zeit, um ein Erbe anzunehmen oder auszuschlagen. Meist erhalten Sie dazu ein Schreiben vom Amtsgericht. Allerdings gibt es auch hier Sonderfälle.
Wichtig: Nicht jeder erhält automatisch ein Schreiben des Amtsgerichts. Dieses landet in der Regel nur dann in Ihrem Briefkasten, wenn der Erblasser ein Testament verfasst hat. Liegt kein Testament vor, läuft die Frist ab dem Zeitpunkt, von dem Sie vom Tod des Erblassers erfahren.
Wenn sie zu Beginn der Frist im Ausland waren oder der Erblasser im Ausland gelebt hat, verlängert sich die Frist für das Ablehnen des Erbes von 6 Wochen auf insgesamt 6 Monate. Schlagen Sie das Erbe nicht innerhalb dieser 6 Wochen oder 6 Monate aus bzw. reagieren Sie nicht auf das Schreiben, nehmen Sie das Erbe an.
Muss ich das Erbe ausschlagen oder gibt es Alternativen zur Erbausschlagung?
Wenn Sie ein Erbe ausschlagen, haben Sie kein Recht darauf, Gegenstände aus dem Erbe zu behalten. Haben Sie sich beispielsweise den liebgewonnenen Schaukelstuhl der verstorbenen Eltern genommen und bei sich zuhause untergebracht, müssen Sie ihn rein rechtlich zurückgeben. Hängen Sie jedoch an dem Erbe oder können beziehungsweise möchten nicht mit Ihrem Privatvermögen haften, gibt es Alternativen zum Ausschlagen des Erbes. Für alle ist der Dreh- und Angelpunkt das Nachlassgericht.
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Nachlassverwaltung
Als Erbe können Sie einen Antrag auf Nachlassverwaltung stellen. Der Nachlassverwalter, der vom Nachlassgericht eingesetzt wird, verwaltet dann das Erbe. Hat der Verstorbene also Schulden hinterlassen, müssen die Erben in diesem Fall laut § 1975 BGB nicht mit ihrem Privatvermögen haften. Hat der Erblasser also Schulden hinterlassen, werden diese bei der Nachlassverwaltung ausschließlich aus der Erbmasse getilgt. Sprich: Das Erbe gleicht die Schulden aus und alles, was hiervon übrig bleibt, geht an die Erben.
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Aufgebotsverfahren
Das Aufgebotsverfahren kann ebenfalls von Erben beim Nachlassgericht beantragt werden. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem alle Gläubiger des Verstorbenen – also die Nachlassgläubiger – ihre Forderungen innerhalb einer Frist melden müssen. Wenn die Frist abgelaufen ist, werden alle aufgenommenen Forderungen aus dem Nachlass beglichen. Zwar verfällt der Anspruch eines sogenannten Nachlassgläubigers nicht, wenn er die Frist versäumt. Getreu dem Motto, „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ erhält der Nachlassgläubiger nur dann etwas, wenn vom Erbe noch etwas übrig ist. Unter Umständen kann er also leer ausgehen, wenn er nicht rechtzeitig reagiert.
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Nachlassinsolvenzverfahren
Hierfür müssen die Erben nach § 1980 BGB am Nachlassgericht einen Antrag auf Nachlassinsolvenz stellen. Dieser Antrag sorgt dafür, dass die Erben ausschließlich für das Erbe haften und folglich nicht mit ihrem Privatvermögen dafür sorgen müssen, dass die Schulden des Verstorbenen getilgt werden. Wenn Sie als Erbe das überschuldete Erbe nicht melden, kann dies gegebenenfalls teure Konsequenzen haben. Gläubiger können dann nämlich Schadensersatz von Ihnen fordern, das Sie aus Ihrem Privatvermögen bezahlen müssen.
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Dürftigkeitseinrede
Wenn nicht alle Kosten sich mit einem Nachlassinsolvenzverfahren begleichen lassen, wird das Verfahren vom Nachlassgericht eingestellt. Dann können Erben nach § 1990 BGB eine Dürftigkeitseinrede stellen und damit ablehnen, dass die Nachlassgläubiger bezahlt werden. Damit Erben eine Dürftigkeitseinrede stellen können, müssen sie jedoch nachweisen, dass die Erbschaft aufgebraucht ist und nicht mehr ausreicht, um die Schulden zu begleichen. Das geht beispielsweise mit dem Gerichtsbeschluss, in dem das Nachlassgericht das Insolvenzverfahren abschließt.