Aufsichtspflicht: Eltern haften für ihre Kinder, oder?

Wie bei kaum einem anderen Rechtsthema kommt es bei der Aufsichtspflicht auf den Einzelfall an. Schließlich sind gerade Kinder – auch wenn sie dasselbe Alter haben – unterschiedlich weit entwickelt. Die einen sind eher brav und hören auf ihre Aufsichtsperson, die anderen hecken gerne etwas aus oder begeben sich gar in Gefahr. Damit Sie wissen, was im Fall der Fälle gilt, haben wir für Sie diese Zusammenfassung erstellt.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Wichtigste zur Aufsichtspflicht:

Wer die Aufsichtspflicht hat: Zumeist sind die Eltern aufsichtspflichtig. Außer Sie haben die Aufsichtspflicht übertragen.

Aufsichtspflicht übertragen: Ist Ihr Kind in der Schule oder beim Sportverein, sind Sie nicht aufsichtspflichtig. Häufig wird so etwas schriftlich festgehalten.

Wenn das Kind etwas anstellt: Ob Sie oder Ihr Kind haften müssen, hängt davon ab, wie alt Ihr Kind zum Zeitpunkt des Schadens war.

Eltern haften für ihre Kinder: Nicht zwangsläufig. Nur wenn der Verantwortliche oder Besitzer seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist.

Wer hat eine Aufsichtspflicht?

Wer die Aufsichtspflicht gegenüber einem Kind oder Jugendlichen hat, regelt § 1631 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Dieser besagt, dass diejenige Person aufsichtspflichtig ist, die mit der Personensorge betraut ist. Im Regelfall sind das die Eltern. Diese können natürlich die Aufsichtspflicht übertragen.

Im Alltag ist es aber häufig so, dass Sie nicht die ganzen 24 Stunden eines Tages Ihr Kind im Blick haben können. Aus diesem Grund gibt es die Aufsichtspflicht auch in anderen Beziehungsverhältnissen. Aufsichtspflichtige Personen sind demnach auch häufig Lehrer, Ausbilder, Kindergärtner oder Betreuer. Doch wie ist es gesetzlich mit der Aufsichtspflicht, wenn Sie einmal nicht in der Nähe sind? Wie können Sie die Aufsichtspflicht übertragen?

Aufsichtspflicht übertragen

Können Sie einmal nicht selbst auf Ihr Kind aufpassen, müssen Sie jemanden finden, der die Aufsichtspflicht übernimmt und im Fall der Fälle Ansprechpartner und Verantwortlicher ist. Dabei ist es wichtig, dass sich beide Parteien – also Sie und die Person, die auf Ihr Kind aufpassen soll – über die Dauer und Rahmenbedingungen der Aufsicht einig sind. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Sie jedes Mal, wenn Ihr Sprössling bei der Oma zu Besuch ist, einen schriftlichen Vertrag aufsetzen müssen. Denn eine solche Übereinkunft zur Aufsicht eines Kindes bedarf keiner besonderen Form – erst recht nicht innerhalb der Familie.

Auch ist nicht jeder Erwachsene aufsichtspflichtig, nur weil er kurz zufällig alleine inmitten spielender Kinder steht. Die Aufsichtsperson muss sich schon bewusst dafür entscheiden, ein Kind oder mehrere Kinder zu beaufsichtigen. Anders sieht es zum Beispiel im Sportverein aus. Dort ist dann in der Regel der Trainer oder Übungsleiter aufsichtspflichtig. Nicht selten wird das dann auch schriftlich festgehalten.

Wann muss ich haften?

Wann und in welchem Umfang Sie für einen Schaden, den ein Kind oder Jugendlicher unter Ihrer Aufsicht verursacht, haften müssen, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Denn die Grenze, ab wann Sie Ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt haben, ist immer vom Einzelfall abhängig. Allerdings gibt es ein paar Faustregeln, an denen Sie sich orientieren können. Zum einen ist da das Alter des Kindes. In § 828 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist nämlich geregelt nämlich, dass Kinder erst ab einem gewissen Alter überhaupt für einen Schaden verantwortlich gemacht werden können:

  • Bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres sind Kinder deliktsunfähig. Das bedeutet, sie können nicht für den Schaden, den sie jemandem zugefügt haben, verantwortlich gemacht werden. Gehen wir also davon aus, dass Ihr Kind 6 Jahre alt ist und beim Fußballspielen eine Scheibe einschießt. Sie sind als Elternteil nicht verpflichtet, einen 6-jährigen rund um die Uhr zu bewachen. Sie verletzen Ihre Aufsichtspflicht also nicht, wenn Paul aus Versehen beim Kicken einen Schaden verursacht. In diesem Fall bliebe der Geschädigte auf seinen Kosten sitzen. Das ist für diesen dann natürlich ärgerlich, aber rechtlich nicht zu beanstanden.

  • Zwischen dem 7. und dem 10. Lebensjahr gilt eine Sonderregelung, was den Straßenverkehr angeht. Von einem Kind dieses Alters ist es nicht zu verlangen, dass es Situationen im fließenden Verkehr vorausschauend erkennt und so Schäden vermeiden kann. Das Kind ist also bei einem Unfall mit einem Auto, einer Straßenbahn oder auch einer Schwebebahn nicht verantwortlich – und Sie auch nicht, solange Sie Ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt haben. Ist Ihr Kind also zum Beispiel 9 Jahre alt, ist es von dieser Regelung betroffen. Fliegt also beim Fußballspielen ein Ball auf die Straße und Ihr Schützling rennt hinterher ohne auf den Verkehr zu achten, ist es für den Schaden, den ein eventuell im letzten Moment ausweichender Autofahrer verursacht, nicht verantwortlich. Es sei denn, er hat dies absichtlich getan – erfahrungsgemäß ist das aber in den allerseltensten Fällen so.

  • Vom 7. bis zum 18. Geburtstag sind Kinder und Jugendliche bedingt deliktsfähig. Hier kommt es dann stark darauf an, wie weit Ihr Schützling schon entwickelt ist und wie gut er in der Lage ist, Situationen, in denen ein Schaden entstehen kann, einzuschätzen. Hier entscheidet der Einzelfall. Sollte ein Schaden allerdings absichtlich verursacht worden sein, muss das Kind haften – auch wenn Sie Ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen sind. Schießt Ihr Kind mit seinen 8 Jahren also mit Absicht ein Fenster ein, bleibt der Nachbar nicht auf seinem Schaden sitzen, sondern Paul würde theoretisch dafür haften. Da er das in seinem Alter wohl kaum bezahlen kann, wird man sich zunächst an Sie als Aufsichtsperson wenden. Dann bleibt zu klären, ob Ihr Kind eventuell erst viel später und wenn es dazu in der Lage ist, für den Schaden aufkommt. Die Verjährungsfrist liegt hier bei 30 Jahren.

Zum anderen hängt das Ausmaß Ihrer Aufsichtspflicht vom Charakter und dem geistigen Entwicklungsstand des Kindes ab. Beaufsichtigen Sie ein eher ruhiges Kind, das schon soweit vorausdenken kann, dass es sich oder andere nie in Gefahr bringt, müssen Sie nicht so oft nach ihm sehen, wie nach einem Kind, das ständig Gefahr läuft, sich und andere zu verletzen. Paul ist für seine 8 Jahre schon recht verantwortungsbewusst und darf deshalb auch ohne ständige Aufsicht auf dem Fußballplatz gegenüber spielen. Passiert dann etwas, können Sie argumentieren, dass Sie nicht davon ausgehen konnten, dass Paul einen Schaden verursacht. Die Gerichte entscheiden hier im Einzelfall. Sollten Sie sich aber unsicher sein, hilft die Einschätzung eines erfahrenen Rechtsanwalts weiter. Unter der Nummer 0900-1 875 001 939* können Sie Ihren Fall schildern und erhalten eine Beurteilung, ob Sie für einen Schaden, den Ihr Schützling angerichtet hat, haftbar gemacht werden können. Schnell und unkompliziert.

Verletzung der Aufsichtspflicht: Haften Eltern für ihre Kinder?

Ein Schild, das wohl die meisten kennen und das sich gerne auf Spielplätzen oder an anderen Orten wiederfindet, an denen sich Kinder aufhalten: „Eltern haften für ihre Kinder“. Das Schild wirkt beinahe drohend, die Kleinen bloß keinen einzigen Moment aus den Augen zu lassen. Tatsächlich liegt die Funktion des Schilds aber hauptsächlich in seiner abschreckenden Wirkung. Denn so einfach, wie es sich die Verantwortlichen machen, ist es in der Realität nicht.

Passiert Ihrem Kind etwas oder verursacht es einen Schaden, ist zuerst zu prüfen, ob zum Beispiel der Betreiber des Spielplatzes überhaupt seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist. Das ist nämlich nicht immer der Fall. Erst wenn klar ist, dass der Verantwortliche alles ihm zumutbare unternommen hat, um Ihr Kind davon abzuhalten einen Schaden zu verursachen, kommt Ihre Aufsichtspflicht ins Spiel.

Nehmen wir einmal an, Ihr 8-jähriges Kind kommt auf dem Heimweg von der Schule an einer Baustelle vorbei. In diesem Moment wird dort nicht gearbeitet und es ist kein Mensch zu sehen. Der Zaun, der die Baustelle umgibt, ist an der Stelle, an der die Baufahrzeuge auf das Gelände gelangen können, sperrangelweit offen. Auf einem Schild daneben steht geschrieben „Kein Zutritt! Eltern haften für Ihre Kinder!“. Ihrem Schützling ist das herzlich egal, er hat ja keine Kinder und das Wort „haften“ kommt in seinem Wortschatz bisher nicht in diesem Zusammenhang vor. Ihr Nachwuchs betritt also nun aus Neugier die Baustelle, ist fasziniert von den Maschinen und drückt in seinem arglosen Wesen ein paar der roten und grünen Knöpfe, die sich an den Geräten befinden. Dumm nur, dass eine davon auf einmal anfängt unkontrolliert zu arbeiten und ein Schaden entsteht. Haften Sie als Eltern nun?

Nein. Das Schild ist in diesem Fall überflüssig und sichert den Baustellenbetreiber nicht ab. Denn die Tore zur Baustelle waren offen. Ihr Kind ist 8 Jahre alt und der Heimweg von der Schule ist ihm auch alleine zuzumuten, ohne dass er ständig beaufsichtigt werden muss. Die Eltern haben also ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt. Der Verantwortliche der Baustelle kam hier seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nach. Schließlich öffnete er dem Kind buchstäblich Tür und Tor, um sich auf der Baustelle umzusehen. Sie als Eltern haften in diesem Fallbeispiel nicht. Wären die Tore geschlossen gewesen und Ihr Kind wäre sozusagen eingebrochen, dann wäre dieser Fall aber anders zu beurteilen.


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