Kindeswohl: Wonach entscheidet das Familiengericht?
Der Begriff des Kindeswohls ist im deutschen Recht abstrakt gehalten, woraus sich immer wieder Schwierigkeiten ergeben. Zwar haben Familiengerichte deswegen größere Freiheit bei ihren Entscheidungen, für Eltern jedoch macht der sehr weit definierbare Begriff eine solche Entscheidung oft schwer nachvollziehbar. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass gerade Eltern, die in Trennung oder Scheidung leben, Kindeswohl oft sehr unterschiedlich auslegen. Wir erklären Ihnen was unter den Begriff Kindeswohl zu verstehen ist und nach welchen Aspekten Familiengerichte in Sorgerechtsverfahren unterscheiden.
Was versteht man unter Kindeswohl?
Der Begriff Kindeswohl umfasst das gesamte persönliche und wirtschaftliche Befinden eines Kindes. Da das eine sehr abstrakte Beschreibung ist, kann man es genauer formulieren als das körperliche, seelische und geistige Wohl eines Heranwachsenden sowie dessen Erziehung. Das Kindeswohl wird von Familiengerichten als Maßstab der Entscheidungen über Belange des Kindes, vor allem bei Sorgerechtsverfahren angesetzt. Leider hat das deutsche Recht keine konkrete Definition des Begriffes sondern sieht lediglich einige Beurteilungskriterien vor, die das Wohl eines Kindes definieren.
Bindungsprinzip
Das Bindungsprinzip umfasst nicht nur die innere Bindung eines Kindes an seine Eltern, sondern auch die an seine Geschwister – soweit vorhanden. Bei der Frage nach dem Kindeswohl wird daher untersucht, zu welchen Personen das Kind Bindungen hat und wie stark diese jeweils sind. Eine Trennung von den wichtigsten Bezugspunkten stellt ein erhebliches Risiko für die Entwicklung des Kindes dar und sollte aus diesem Grund unbedingt vermieden werden. Ausnahmen von der Regel gibt es allerdings auch hier: Sollten allerdings gesundheitliche Risiken drohen, wenn die Eltern-Kind Bindung aufrecht erhalten wird, muss das Trennungsrisiko in Kauf genommen werden. Das wäre Beispielsweise bei Misshandlung, Missbrauch oder Vernachlässigung der Fall.
Förderungsprinzip
Das Förderungsprinzip lässt sich in zwei unterschiedliche Kriterien aufteilen. Das erste Förderungsprinzip umfasst vor allem die Pflege, Betreuung und Versorgung des Kindes. Also äußere Umstände, die das Wohl des Kindes garantieren sollen. Das zweite legt sein Augenmerk auf die Erziehung des Kindes. Dabei wird vor allem untersucht, welches Elternteil dem Kind vermutlich mehr Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit geben kann, Verantwortung für das Kind übernimmt und das Kind hinsichtlich seiner eigenen Interessen erziehen – also fördern – kann.
Kontinuitätsprinzip
Das Kontinuitätsprinzip oder auch der Kontinuitätsgrundsatz nimmt einen großen Stellenwert bei der Entscheidung des Sorgerechts ein. Verändert sich die vertraute Lebenswelt eines Kindes drastisch, kann das für das Kind eine große Belastung darstellen. Insofern ist hier entscheidend, welcher Elternteil eine möglichst einheitliche und gleichmäßig stabile Betreuung des Kindes gewährleisten kann und wo es mit den wenigsten Änderungen klarkommen muss. Hierbei sind vor allem äußere Umstände gemeint. Positiv wäre demnach, wenn das Kind nach der Trennung der Eltern in seiner gewohnten Umgebung bleiben könnte. Das umfasst die vertraute Wohnung, damit verbunden den vertrauten Kindergarten oder Schule und die Aufrechterhaltung des Freundeskreises.
Wille des Kindes
Der Wille des Kindes spielt bei Sorgerechtsentscheidungen zwar eine Rolle, wird dem Kindeswohl allerdings untergeordnet. So kann es also vorkommen, dass entgegen dem Willen des Kindes entschieden wird, sollte die Erziehungseignung des bevorzugten Elternteils dem widersprechen oder aber die Prinzipien der Förderung und Kontinuität gegen dem Kindeswillen entgegenstehen. Hinzu kommt, dass der Wille des Kindes auch durch einen Elternteil beeinflusst werden kann, da besonders junge Kinder oft nur den Willen des Elternteils wiedergeben oder durch Geschenke und Versprechungen instrumentalisiert werden können.
Kindeswohl nach Trennung und Scheidung
Das Wohl des Kindes steht bei den Eltern in der Regel an erster Stelle. Dennoch gibt es Situationen, in denen mitunter heftig über das Kindeswohl diskutiert wird. Zum Beispiel bei einer Trennung oder Scheidung der beiden Eltern stellt sich die Frage, wie man sich am besten verhalten sollte um das Wohl des Kindes nicht zu gefährden. Dabei sind jährlich zwischen 150.000 und 200.000 Kinder und Jugendliche von der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern betroffen.
Das größte Problem dabei ist oft, dass die getrennten Eltern unterschiedliche Ansichten darüber haben, was das Beste für das Kind ist. Vor allem, wenn ein Elternteil das Sorgerecht zugesprochen bekommen hat und der andere auf Umgangsrecht angewiesen ist.
Wichtig: Ihr Kind hat einen gesetzlichen Anspruch auf Umgang mit beiden Elternteilen im Falle einer Trennung. Betreuen Sie Ihr Kind hauptsächlich, sollten Sie unbedingt den Umgang mit dem anderen Elternteil ermöglichen und ihn auch nicht erschweren. Auch nicht den Umgang zu anderen wichtigen Bezugspersonen des Kindes, wie beispielsweise Großeltern, Geschwistern oder Tanten. Für das Kindeswohl ist der Kontakt zu Personen, zu denen es soziale Bindungen hat essentiell. Einzige Ausnahme ist, wenn eine diese Personen das Kindeswohl gefährdet. Unter solchen Umständen kann das Umgangsrecht vom Familiengericht eingeschränkt werden.
Verfahren wegen Trennung und Scheidung
Besteht ein Konflikt zwischen den Eltern darüber, wo das gemeinsame Kind nach einer Trennung leben soll und darüber, wie das Sorgerecht verteilt wird, dann können verschiedene Verfahren beim Familiengericht eingeleitet werden. Das erfolgt durch den Antrag eines Elternteils und kann folgende Themen umfassen:
- Elterliche Sorge bei Trennung und Scheidung
- Aufenthalt des Kindes
- Umgangsrecht
- Herausgabe des Kindes.
Das Gericht soll dabei gemäß § 156 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) – auch Familienverfahrensgesetz genannt – auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken. Also dafür sorgen, dass beide Eltern die Verantwortung für Ihr Kind wahrnehmen und dessen Wohl über ihre eigenen Interessen stellen. Deswegen wird in diesen Fällen oft eine Beratung beider Elternteile bei einer Beratungsstelle gerichtlich angeordnet.
Was gefährdet das Kindeswohl?
Gemäß § 1666 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) fällt unter Kindeswohlgefährdung:
- die Gefährdung des körperlichen Wohls,
- die Gefährdung des geistlichen Wohls,
- die Gefährdung des seelischen Wohls,
- die Gefährdung des Vermögens eines Kindes.
Dabei kann nicht nur ein aktives Handeln der Eltern zu Kindeswohlgefährdung führen – zum Beispiel durch Gewalteinwirkung – sondern auch elterliches Unterlassen, zum Beispiel bei Vernachlässigung des Kindes oder wenn diesem ärztliche Behandlung verweigert wird.
Sie möchten sich genauer über Kindeswohlgefährdung informieren oder möchten wissen, wie Sie sich verhalten sollen, wenn Sie einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung haben? Dann finden Sie alle wichtigen Informationen unter: