Erwerbsminderungsrente: Auf welche Leistungen Sie jetzt Anspruch haben und was es zu beachten gilt
Welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen und worauf es bei der Beantragung ankommt: wir klären die wichtigsten Fragen zur Erwerbsminderungsrente.
- Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?
- Welche Leistungen stehen mir zu?
- Wie beantrage ich eine Rente wegen Erwerbsminderung?
- Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird?
- Wie lange erhalte ich Erwerbsminderungsrente?
- Darf ich nebenher arbeiten, während ich Erwerbsminderungsrente beziehe?
Sind Sie körperlich oder psychisch nicht mehr in der Lage, weiterhin zu arbeiten, haben Sie unter Umständen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Welche Leistungen Ihnen zustehen, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, was es bei der Beantragung zu beachten gilt und welche Möglichkeiten Sie im Falle einer Ablehnung haben – wir haben für Sie die sechs wichtigsten Fragen zusammengefasst.
Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?
Medizinische Voraussetzungen
Grundvoraussetzung für Ihren Antrag ist, dass Sie krankheitsbedingt für mindestens sechs Monate nicht arbeiten können. Dabei unterscheidet man zwischen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit (auch: Erwerbsminderung).
Wer berufsunfähig ist, ist gesundheitlich bedingt nicht mehr in der Lage, in seinem erlernten bzw. zuletzt ausgeübten Beruf weiterhin zu arbeiten. Als Berufsunfähiger haben Sie allerdings keinen Anspruch auf die Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente, weil Sie immer noch an einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz einsetzbar sind.
Wer dagegen erwerbsunfähig ist, kann überhaupt keine Arbeit mehr leisten – unabhängig von seinem vorherigen Beruf.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Bauarbeiter Schmidt hat Rückenprobleme, die es ihm unmöglich machen, weiterhin die körperlich schweren Arbeiten auf der Baustelle auszuführen. Da diese Probleme jedoch nicht bei sitzenden Tätigkeiten auftauchen, könnte er beispielsweise administrative Tätigkeiten im Büro der Baufirma übernehmen. Demnach ist er nicht erwerbs-, sondern lediglich berufsunfähig und hat keinen Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente.
Dabei kommt es auch auf den Umfang der Erwerbsminderung an: Können Sie aufgrund Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten, haben Sie Anspruch auf die vollen Leistungen aus der Erwerbsminderungsrente. Sind Sie noch in der Lage, täglich drei bis sechs Stunden zu arbeiten, steht Ihnen zumindest die Hälfte der Leistungen zu.
Können Sie trotz Berufsunfähigkeit weiterhin in einem beliebigen anderen Beruf für täglich sechs oder mehr Stunden arbeiten, haben Sie keinerlei Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
Die Erwerbsminderung muss in jedem Fall durch einen Arzt bestätigt werden. Beschreiben Sie ihm Ihren Arbeitsplatz und Ihre Tätigkeiten, damit dieser das Ausmaß Ihrer Erwerbsminderung abschätzen kann. Um Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend zu machen, müssen Sie nachweislich zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig sein.
Übrigens: Wenn Sie wegen eines Wegeunfalls, Arbeitsunfalls oder einer Berufserkrankung erwerbsgemindert sind, kommt für Sie nicht die Erwerbsminderungs-, sondern die Verletztenrente infrage.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Außerdem vorausgesetzt ist die Erfüllung der Wartezeit von fünf Jahren. Das heißt, dass Sie seit mindestens fünf Jahren gesetzlich rentenversichert sind. Außerdem müssen Sie in den letzten fünf Jahren vor Beginn Ihrer Erwerbsunfähigkeit für mindestens drei Jahre die Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit geleistet, also in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, haben. In Ausnahmefällen (wie beispielsweise für behinderte Menschen oder im Falle eines Arbeitsunfalls) erhalten Sie auch bereits nach zwei Jahren Wartezeit und einem Jahr Zahlung der Pflichtbeiträge die Erwerbsminderungsrente.
Gut zu wissen: Gibt es innerhalb dieser fünf Jahre Zeiten, in denen Sie die Pflichtbeiträge nicht zahlen konnten, ohne dass die Schuld bei Ihnen selbst liegt (zum Beispiel wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit), wird der Fünf-Jahres-Abschnitt um den entsprechend betroffenen Zeitraum rückwirkend erweitert.
Beispiel: Herr Müller ist seit dem 1. Januar 2018 erwerbsunfähig. In den fünf Jahren unmittelbar vor seiner Erwerbsunfähigkeit (01.01.2013 - 31.12.2017) war er nur 32 Monate versicherungspflichtig beschäftigt. Da er aber innerhalb dieses Zeitraums für fünf Monate krankgeschrieben war, werden seine Fehlzeiten dem Fünf-Jahres-Zeitraum nicht angerechnet. Folglich wird dieser um fünf Monate in die Vergangenheit, das heißt vom 01.08.2012 - 31.12.2017 erweitert. Da Herr Schmidt im gesamten Jahr 2012 angestellt war und die Pflichtbeiträge gezahlt hat, kommt er dennoch auf eine beitragspflichtige Zeit von 37 Monaten – also über drei Jahre – und hat somit Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
Habe ich als Selbstständiger Anspruch auf Erwerbsminderungsrente?
Selbstständige haben die Wahl, sich gesetzlich abzusichern (also in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen und bei erfüllten Voraussetzungen Erwerbsminderungsrente zu erhalten) oder privat vorzusorgen (zum Beispiel durch das Abschließen einer Berufsunfähigkeitsversicherung). Erfüllen Sie alle erforderlichen gesundheitlichen und versicherungsrechtlichen Bedingungen, können Sie auch als Selbstständiger Erwerbsminderungsrente beziehen.
Welche Leistungen stehen mir zu?
Erfüllen Sie die medizinischen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, haben Sie Anspruch auf staatliche Leistungen.
Arbeitnehmern, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, steht bereits bei Berufsunfähigkeit die Berufsunfähigkeitsrente zu. Sie beträgt etwa zwei Drittel der gesetzlichen Altersrente.
Für später Geborene kommt erst bei Erwerbsunfähigkeit eine Erwerbsminderungsrente infrage, deren Höhe sich nach dem Umfang Ihrer gesundheitlichen Einschränkung richtet. Bestätigt Ihnen der Arzt, dass Sie weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten können, sind Sie vollständig erwerbsunfähig. In diesem Fall steht Ihnen die volle Erwerbsminderungsrente zu, deren Höhe rund 30 Prozent Ihres bisher bezogenen Bruttolohns (etwa die Hälfte des Nettogehalts) beträgt. Sind Sie in der Lage, noch drei bis sechs Stunden am Tag zu arbeiten, sind Sie teilweise erwerbsunfähig und haben zumindest Anspruch auf die Hälfte der Erwerbsminderungsrente (also etwa 15 Prozent Ihres vormaligen Bruttolohns oder 25 Prozent des Nettogehalts).
Eine weiterer Faktor zur Berechnungsgrundlage sind die Anzahl der Jahre, in denen Sie Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben.
Werden Sie vor Eintritt der regulären Altersrente erwerbsunfähig, wird es durch die sogenannte „Zurechnungszeit“ so gehandhabt, als ob Sie bis zum Altersrentenantritt gearbeitet und Beiträge gezahlt hätten. So wird sichergestellt, dass Sie Rentenansprüche besitzen, auch wenn Sie noch keine 45 Beitragsjahre erfüllt haben. Bisher betrug diese Zurechnungszeit 62 Jahre, ab 2018 wird sie allerdings bis 2024 schrittweise auf 65 Jahre heraufgesetzt. Die neue Zurechnungszeit gilt allerdings nur für Personen, die Ihre Erwerbsminderungsrente 2018 oder später beantragen. Rentner, die bereits vor 2018 Erwerbsminderungsrente beantragt oder erhalten haben, sind demnach von diesen günstigeren Bezugsregelungen ausgeschlossen.
Tritt die Erwerbsminderungsrente vorzeitig ein, werden von Ihren Rentenbeiträgen jedoch Abschläge abgezogen. Für jeden Monat vor der Altersgrenze sind das 0,3 Prozent, insgesamt jedoch höchstens 10,8 Prozent.
Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Frau Meier arbeitet, seitdem sie zwanzig Jahre alt ist. Jetzt, mit vierzig Jahren, ist sie voll erwerbsunfähig, hat aber noch lange nicht das Alter erreicht, mit dem ihr die gesetzliche Altersrente zustünde. Deshalb bekommt sie eine Erwerbsminderungsrente, die um die dementsprechenden Abzüge (10,8 Prozent) verringert sind. Herr Müllers Erwerbsminderungsrente dagegen wird nur um 0,6 Prozent Abschläge gekürzt, da er nur zwei Monate vor seinem Antritt der Altersrente erwerbsunfähig wurde.
Die Verringerung der Rente um die Abschläge ist dauerhaft, das heißt, sie bleibt bestehen: Auch die Altersrente wird später um den Prozentsatz der Abschläge gekürzt.
Gut zu wissen: Erwerbsminderungsrenten werden erhöht
Ab 1. Juli 2024 steigen die Erwerbsminderungsrenten für diejenigen, die von 2001 bis 2018 in Erwerbsminderungsrente gingen. Etwa drei Millionen Rentnerinnen und Rentner werden künftig von den Zuschlägen profitieren.
Wer in der Zeit von Januar 2001 bis Juni 2014 in Rente gegangen ist, der erhält einen Zuschlag von 7,5 Prozent. Bei Rentenbeginn in der Zeit von Juli 2014 bis Dezember 2018, liegt der Zuschlag bei 4,5 Prozent. Grundlage für die Berechnung sind die persönlichen Entgeltpunkte.
Wie beantrage ich eine Rente wegen Erwerbsminderung?
Die Erwerbsminderungsrente wird in der Regel nach dem sechsten Monat der Arbeitsunfähigkeit gezahlt. Bis dahin erhalten Sie als gesetzlich Versicherter Krankengeld der Krankenkasse. Dennoch ist es aufgrund der Bearbeitungszeit ratsam, bereits so früh wie möglich einen Rentenantrag zu stellen.
Die Erwerbsminderungsrente wird bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt. Auf deren Website finden Sie die entsprechenden Formulare.
Liegt der Antrag bei der Rentenversicherung vor, prüft diese, ob die notwendigen Voraussetzungen für den Bezug von Erwerbsminderungsrente erfüllt sind, bewertet Ihre Leistungsfähigkeit und beurteilt, ob eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente für Sie infrage kommt. Dabei gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“. Das heißt: Besteht die Chance, Ihre Arbeitsfähigkeit durch diverse Rehabilitationsmaßnahmen zu verbessern oder wiederherzustellen, wird Ihnen zunächst eine solche Rehabilitation verordnet. Eventuell können Sie Ihre Gesundheit so weit verbessern, dass Sie wieder arbeiten können und nicht mehr auf eine Erwerbsminderungsrente angewiesen sind.
Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt wird?
Erhalten Sie auf Ihren Antrag hin einen Ablehnungsbescheid, können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlichen Widerspruch einlegen.
Wird eine Erwerbsminderungsrente dennoch erneut abgelehnt, haben Sie immer noch die Möglichkeit, vor dem Sozialgericht zu klagen.
In der Regel entscheidet letztendlich ein Gutachten eines vom Gericht hinzugezogenen Arztes, ob und in welcher Höhe Ihnen eine Erwerbsminderungsrente zusteht.
Dasselbe gilt für den Fall, wenn Ihnen lediglich eine teilweise Rente bewilligt wird, Sie aber eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten möchten.
Lohnt es sich in Ihrem Fall, Widerspruch oder gar Klage einzulegen? Ist es sinnvoll, das Risiko hoher Anwaltskosten einzugehen? Viele Antragssteller sind sich unsicher, wenn es darum geht, gegen eine Ablehnung vorzugehen. Im Gespräch mit einem der selbstständigen Kooperationsanwälte der Deutschen Anwaltshotline kann dieser Ihnen für Ihren individuellen Fall die Erfolgsaussichten einer Klage prognostizieren und Ihnen Handlungsempfehlungen für Ihr weiteres Vorgehen an die Hand geben.
Wie lange erhalte ich Erwerbsminderungsrente?
Die Erwerbsminderungsrente wird in der Regel befristet für höchstens drei Jahre bewilligt. Denn das übergeordnete Ziel ist es, Sie langfristig wieder in das Arbeitsleben einzugliedern. Nach Ablauf der Befristung wird dann auf einen erneuten Rentenantrag (Verlängerungsantrag) hin geprüft, ob sich Ihr Zustand gebessert hat oder ob und in welchem Umfang Sie weiterhin erwerbsunfähig sind. Trifft letzteres zu, wird die Rente wiederum befristet verlängert. Hat sich auch nach neun Jahren nichts an Ihrer Arbeitsfähigkeit verändert, erhalten Sie die Rente bis zum Eintritt der Altersrente (das heißt, bis zum Erreichen der entsprechenden Altersgrenze) unbefristet.
Stellt der Arzt bereits zu Beginn Ihrer Erwerbsminderung fest, dass auch langfristig nicht mit einer Besserung Ihres Gesundheitszustandes gerechnet werden kann, wird die Erwerbsminderungsrente von Anfang an unbefristet bewilligt.
Darf ich nebenher arbeiten, während ich Erwerbsminderungsrente beziehe?
Grundsätzlich ist das erlaubt. In welchem Umfang Sie jedoch arbeiten dürfen und wie sich welcher Hinzuverdienst auf die Höhe Ihrer Rente auswirkt, hängt von Ihrer individuellen Situation ab. Hier gilt es bereits vor Beginn einer Nebenbeschäftigung Ihre Möglichkeiten zu sondieren: Denn es kann sein, dass Ihr Hinzuverdienst dazu führt, dass Ihre Rentenauszahlung entsprechend gekürzt oder gar gestrichen wird.
Erhalten Sie volle Erwerbsminderungsrente, ist eine Nebentätigkeit mit bis zu 6300 Euro Vergütung im Jahr anrechnungsfrei – das entspricht einem durchschnittlichen Verdienst von 525 Euro pro Monat. Verdienen Sie mehr als 6300 Euro im Jahr, wird Ihre Rente um einen Betrag verringert, der aus der Höhe des zusätzlichen Verdienstes errechnet wird.
Erhalten Sie eine halbe Erwerbsminderungsrente, wird grundsätzlich mit einem Hinzuverdienst gerechnet, da Sie laut ärztlichem Gutachten noch bis zu sechs Stunden am Tag arbeiten können. Dies wurde auch für die Höhe der Erwerbsminderungsrente berücksichtigt, denn diese beträgt schließlich nur die Hälfte der vollen Erwerbsminderungsrente und damit nur etwa 15 Prozent Ihres ehemaligen Bruttoeinkommens – das reicht in der Regel nicht zum Leben aus.
Die Obergrenze Ihres anrechnungsfreien Hinzuverdienstes bei einer halben Erwerbsminderungsrente wird individuell und auf Basis Ihres höchsten versicherungspflichtigen Einkommens innerhalb von 15 Jahren vor Ihrer Erwerbsminderung berechnet. Liegt der Verdienst aus Ihrem Nebenerwerb über dieser Grenze, wird Ihre Rente um entsprechende Anrechnungen gekürzt.
Informieren Sie unbedingt Ihren Rentenversicherungsträger, wenn Sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen möchten! Er kann Ihnen mitteilen, wie sich welche Verdiensthöhe auf Ihre Rentenauszahlung auswirkt und Ihnen die Grenze des möglichen Hinzuverdienstes berechnen.