Rechtsanspruch auf Kitaplatz: Was er umfasst und wie Sie ihn einklagen
Die gute Nachricht vorab: In Deutschland gibt es einen bundesweiten Anspruch auf Betreuungsplätze. Der Haken: Vielerorts gibt es einen Mangel an Kita- und Kindergartenplätzen, weshalb viele Anträge abgelehnt werden müssen. Hier erfahren Sie, wie Sie Ihren gesetzlichen Anspruch dennoch durchsetzen können, welche Alternativen Sie haben und in welchen Fällen Ihnen sogar Schadenersatz zusteht.
- Was umfasst der rechtliche Anspruch auf einen Kitaplatz?
- Wo und wann kann ich einen Antrag auf einen Kitaplatz stellen?
- Darf ich mir einen Kindergarten oder eine Kita für mein Kind aussuchen?
- Habe ich Anspruch auf Ganztagsbetreuung für mein Kind?
- Was muss ich tun, wenn mein Antrag auf einen Kitaplatz abgelehnt wurde?
- Steht mir Schadenersatz oder Ersatz für Verdienstausfälle zu, wenn mein Kita-Antrag abgelehnt wurde?
Gesetzlicher Kitaplatz-Anspruch: Das Wichtigste auf einen Blick
- Einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben Kinder ab einem Jahr bis zur Einschulung. Der Anspruch ist bedingungslos: Es kommt also nicht darauf an, ob die Eltern arbeiten oder nicht.
- Auch Kinder unter einem Jahr haben einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Er ergibt sich beispielsweise, wenn die Eltern arbeiten oder sich in einer Ausbildung befinden.
- Wird der Antrag auf einen Kitaplatz abgelehnt, sollten Sie Widerspruch eingelegen.
- Kann die Kommune keinen passenden Kitaplatz zur Verfügung stellen, haben Eltern unter Umständen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten bei privater Betreuung. Auch Schadenersatzansprüche sowie der Anspruch auf Erstattung von Dienstausfällen sind möglich.
Was umfasst der rechtliche Anspruch auf einen Kitaplatz?
Der Anspruch auf einen Kitaplatz wurde im August 2013 erweitert und ist in § 24 Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) festgehalten. Grundsätzlich besagt er folgendes:
- Kinder unter einem Jahr: Anspruch auf Unterbringung in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege, wenn die Eltern erwerbstätig sind, demnächst eine Stelle antreten, aktiv nach Arbeit suchen, sich in Ausbildung befinden oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des SGB II erhalten
- Kinder zwischen eins und drei Jahren: Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege
- Kinder ab drei Jahren bis zur Einschulung: Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung
Der Gesetzestext will genau gelesen werden, denn der Teufel steckt im Detail. Bei Kindern unter einem Jahr ist beispielsweise nur die Rede von der Unterbringung, nicht aber von frühkindlicher Förderung. So müssen Sie als Eltern auch Tagespflege akzeptieren, die keine fördernden Maßnahmen beinhaltet. Kinder zwischen einem und drei Jahren haben hingegen einen Anspruch auf Förderung: Wird Ihnen also ein Kita- oder Tagespflegeplatz angeboten, bei dem nur für die Unterbringung, nicht aber für die frühkindliche Förderung gesorgt ist, dürfen Sie diesen ablehnen. Bei Kindern ab drei Jahren ist der Anspruch noch umfangreicher: Sie haben per Gesetz ein Recht auf „Förderung in einer Tageseinrichtung“, sprich in einem Kindergarten oder einer Kita. Selbst die Unterbringung bei einer Tagesmutter können Sie in diesem Fall ablehnen.
Das Recht auf einen Betreuungsplatz entsteht übrigens mit dem ersten Geburtstag des Kindes. Wenn ein Kindergarten Sie beispielsweise darauf verweist, dass nur einmal im Jahr neue Kinder angenommen werden und dass Sie deshalb noch einige Monate warten müssen, müssen Sie dies nicht hinnehmen. Wenden Sie sich am besten an das zuständige Jugendamt und verweisen Sie auf Ihren gesetzlichen Anspruch auf Betreuung.
Gut zu wissen: Ab 2026 wird es einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder geben. Dies bedeutet, dass alle Kinder im Grundschulalter Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben, um Eltern besser zu entlasten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu unterstützen. Dieser Schritt soll die Bildungschancen und soziale Teilhabe der Kinder verbessern.
Wo und wann kann ich einen Antrag auf einen Kitaplatz stellen?
War Ihre selbständige Suche nach einem Kita-Platz erfolglos, können Sie beim Jugendamt einen Antrag auf Vermittlung stellen. Die meisten Jugendämter bieten auf ihren Websites vorgefertigte Kita-Formulare an, die Sie lediglich ausfüllen und einreichen müssen. Als Frist gilt, dass der Antrag frühestens sechs Monate und spätestens drei Monate bevor der Betreuungsplatz benötigt wird, gestellt werden muss.
Gut zu wissen: Es wird grundsätzlich empfohlen, sich möglichst früh um einen Betreuungsplatz für sein Kind zu kümmern. Sollte Ihr Antrag auf einen Kita- oder Kindergartenplatz abgelehnt werden, bleibt Ihnen so genügend Zeit, nach Alternativen zu suchen oder Ihre Rechte vor Gericht durchzusetzen.
Darf ich mir einen Kindergarten oder eine Kita für mein Kind aussuchen?
Zwar hat Ihr Kind einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz, doch bedeutet das nicht, dass Sie die Kindertagesstätte oder den Kindergarten frei wählen können. Wenn Sie einen Wunschkindergarten haben, sollten Sie diesen direkt aufsuchen und sich schon frühzeitig nach verfügbaren Plätzen erkundigen. Wenn Sie früh genug Ihr Interesse an einem Platz bekunden, kann dies durchaus Vorteile für Sie haben. Sollte es jedoch zu Engpässen im Kindergarten um die Ecke kommen, kann es durchaus sein, dass das Jugendamt Ihnen einen anderen zuweist.
Allerdings muss der zugewiesene Kindergarten angemessen sein. So müssen alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein und der Betreuungsort darf nicht zu weit von Ihrer Wohnung entfernt sein. Klare Regelungen gibt es zwar nicht, doch hält die Rechtsprechung einen Anfahrtsweg von etwa 30 Minuten oder im städtischen Raum eine Entfernung von bis zu fünf Kilometern für angemessen.
Habe ich Anspruch auf Ganztagsbetreuung für mein Kind?
Eine klare gesetzliche Vorgabe gibt es zwar nicht, doch hat sich der Umfang der Förderung am individuellen Bedarf zu orientieren. Das bedeutet: Arbeiten beide Elternteile in Vollzeit, muss die Kommune die ganztägige Betreuung im Umfang von bis zu 45 Stunden ermöglichen. Sind die Eltern in Teilzeit tätig, muss die Betreuung für mindestens 20 Stunden pro Woche gewährleistet werden.
Ein Beispielurteil des Verwaltungsgerichts Aachen: Die Eltern eines einjährigen Kindes stellten aufgrund ihrer Arbeitszeiten einen Antrag auf städtische Betreuung von 8 bis 17 Uhr. Die Kita schloss jedoch werktags schon um 16:30 Uhr. Das Gericht urteilte, dass die Kindertagesstätte sich an den Bedarf der Eltern anpassen und künftig länger geöffnet sein muss. Die betroffene Kita konnte nicht glaubhaft nachweisen, dass die Verlängerung der Öffnungszeiten aufgrund eine akuten Fachkräftemangels nicht möglich ist. Dem Eilantrag der Eltern wurde daher stattgegeben.
Gerichte können jedoch auch anders entscheiden, wie ein Beschluss des OVG Münster zeigt: Das Gericht sprach dem Kind den Anspruch auf erweiterte Kita-Zeiten ab und verwies stattdessen darauf, dass als Kompromiss auch die Kombination aus Kindertageseinrichtung und der Unterbringung in der Kindertagespflege möglich sei (Az. 12 B 1324/19).
Was muss ich tun, wenn mein Antrag auf einen Kitaplatz abgelehnt wurde?
Legen Sie Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid ein
Wird Ihr Antrag auf einen Kitaplatz abgelehnt, können Sie Widerspruch einlegen. Wichtig ist allerdings, dass Sie darauf bestehen, einen Ablehnungsbescheid in Schriftform zu erhalten. Gegen eine mündliche Aussage, dass nicht genug freie Kitaplätze zur Verfügung stehen, können Sie rechtlich nicht vorgehen.
Setzen Sie Ihren rechtlichen Anspruch vor Gericht durch
Reagiert die Kommune auf Ihren Widerspruch mit einer erneuten Ablehnung, können Sie Ihren Anspruch auf einen Kindergartenplatz beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht durchsetzen. Ein Anwaltszwang besteht dabei grundsätzlich nicht, was bedeutet, dass Sie sich vor Gericht auch selbst vertreten können. Da es sich beim Kita-Anspruch meist um eine dringende Angelegenheit handelt, wird empfohlen, das Eilverfahren zu beantragen. Die Entscheidung, ob die Kommune Sie und Ihr Kind aus berechtigten Gründen zurückgewiesen hat, wird dann meist innerhalb von vier Wochen gefällt.
Da Ihr Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Ihr Kind klar gesetzlich verankert ist, stellen sich die Gerichte meist auf die Seite der klagenden Eltern. Der Bundesgerichtshof (BGH) nannte in einem Urteil allerdings einige Ausnahmefälle, in denen Gemeinden Eltern zurecht abgewiesen haben: Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Bau einer Kita sich aufgrund der Insolvenz des Bauunternehmens stark verzögert oder wenn Personalmangel herrscht, obwohl rechtzeitig Stellenanzeigen geschaltet wurden.
Besorgen Sie sich eine private Betreuung und holen Sie sich die Mehrkosten zurück
Findet sich über den offiziellen Weg kein Betreuungsplatz, können Sie sich auch auf eigene Faust nach einer Alternative umsehen. Viele Eltern kümmern sich dann um eine Betreuung in einer privaten Kindertagesstätte. Da diese in der Regel jedoch teurer ist, muss die Gemeinde häufig für die Mehrkosten aufkommen. Dabei gilt allerdings: Bei der Auswahl der Betreuung dürfen Sie nicht zu sehr vom Standard abweichen. Die Extra-Kosten für einen Luxuskindergarten werden Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erstattet. Außerdem urteilten Gerichte in der Vergangenheit, dass die Mehrkosten nur dann von der Gemeinde zu tragen sind, wenn sie den Eltern nicht zumutbar sind (Urteil des OLG Frankfurt vom 17. Mai 2018, Az. 1 U 171/16).
Sollte sich die Kommune weigern, die Mehrkosten zu übernehmen, empfiehlt es sich, einen Anwalt einzuschalten. Dieser kann prüfen, ob die zusätzlichen Kosten im Rahmen sind und eine Klage auf Kostenerstattungsanspruch für Sie einreichen.
Steht mir Schadenersatz oder Ersatz für Verdienstausfälle zu, wenn mein Kita-Antrag abgelehnt wurde?
Lehnt die Kommune Ihren Kita-Antrag ab, können sich daraus unter Umständen Schadenersatzansprüche ergeben. Finden Eltern nicht rechtzeitig einen geeigneten Betreuungsplatz, kann das immerhin zu Schwierigkeiten im Arbeitsalltag und zu Verdienstausfällen führen.
In einem solchen Fall können Sie beim zuständigen Zivilgericht Klage auf Schadenersatz einreichen. Gerichte haben derartige Fälle in der Vergangenheit recht unterschiedlich gehandhabt, doch gab der Bundesgerichtshof im Jahr 2016 eine klare Richtung vor: Werden Kinderbetreuungsplätze nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt, ergeben sich daraus Amtshaftungsansprüche der Eltern. Dementsprechend sprach der BGH drei klagenden Müttern die Entschädigung für ihren jeweiligen Verdienstausfall zu. Die Richter betonten allerdings, dass das Urteil nicht pauschalisiert werden kann. Es muss immer im Einzelfall geprüft werden, ob die Kommune bei der Vergabe der Plätze unsauber gearbeitet hat und entsprechend für den Mangel an Betreuungsplätzen verantwortlich gemacht werden kann (Urteil vom 20. Oktober 2016, Az. III ZR 278/15, 302/15 und 303/15).
Beachten Sie, dass Eltern nicht automatisch ein Wahlrecht zwischen der Klage auf einen Kita-Platz und Schadenersatz für private Betreuungskosten haben: Das Landgericht Frankenthal entschied, dass eine Gemeinde nicht automatisch für private Betreuungskosten haftet, wenn sie den Anspruch auf einen Kita-Platz nicht erfüllt und Eltern dies dulden. Demnach müssen Eltern zunächst versuchen, ihren Kita-Platz-Anspruch durch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht durchzusetzen, bevor sie Schadensersatz fordern können (LG Frankenthal, Urteil vom 19.09.2024 - 3 O 313/23).