Wegfahren trotz Krankschreibung: Ist das erlaubt?
Bin noch krankgeschrieben hatte eine Operation an der Hand, würde gerne zum Geburtstag meiner Tochter die 800 km weit weg wohnt für 4 tage fahren.
Darf ich das?
Sie haben sich mit einer Frage aus dem Arbeitsrecht an mich gewandt. Es geht darum, ob Sie trotz Krankschreibung zu Ihrer Tochter, die 800 km entfernt lebt, reisen dürfen.
Dabei gibt es eine einfache Regel, die im Einzelfall auch die richtige Richtung vorgibt: Ein erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird. Grundsätzlich ist deshalb alles erlaubt, was die Genesung nicht verzögert oder gefährdet.
Wer jedoch gegen den Rat des Arztes handelt, riskiert eine Abmahnung oder - im schlimmsten Fall - sogar die fristlose Kündigung.
Diese Gefahr könnte bestehen, wenn Sie bettlägrig krankgeschrieben sein sollten und dann verreisen.
Was ein Patient tun darf und was nicht, hängt deshalb von der Krankheit und der individuellen Situation ab.
Denn nicht jede Krankheit fesselt den Patienten ständig ans Bett. Vor allem gegen Aktivitäten, die die Heilung fördern, können Arbeitgeber und Krankenkasse keine Einwände haben.
Eine Heilung einer Hand-OP dürfte im ersten Moment durch die Reise nicht beeiträchtigt werden, dass Sie aber mit nur einer Hand nicht arbeiten können ist offensichtlich. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn Sie sich selbst ans Steuer eines Autos setzen würden und damit die Hand über die Maßen belasten.
Im Zweifelsfall ist daher dazu zu raten, geplante Unternehmungen mit einem Arzt zu besprechen und sich diese schriftlich genehmigen zu lassen.
Das sollten Sie auch in Ihrem Falle unbedingt tun.
Dieser Einschätzung liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Der gesetzlich nicht definierte, sondern als gegeben und bekannt vorausgesetzte arbeitsrechtliche Krankheitsbegriff deckt sich nicht mit dem im medizinischen Sinne. Er geht vielmehr über diesen noch hinaus. Im Sinne des Arbeitsrechts ist Krankheit erst und nur dann gegeben, wenn der Gesundheitszustand dermaßen schwer gestört ist, dass der betroffene Mitarbeiter ganz oder teilweise arbeitsunfähig ist. Dies bedeutet im Ergebnis, dass eine Krankheit erst dann arbeitsrechtlich bedeutsam ist, wenn durch sie eine Aufhebung oder Minderung der Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters eintritt.
Zwei Voraussetzungen bestimmen demnach das Vorliegen einer Krankheit im arbeitsrechtlichen Sinne:
es muss ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand gegeben sein, der durch eine stationäre oder ambulante ärztliche Heilbehandlung grundsätzlich als behebbar erscheint. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der regelwidrige Zustand tatsächlich beseitigt werden kann oder, wenn vielleicht auch schon bei Krankheitsbeginn erkennbar, zur Erwerbsunfähigkeit führt (BAG, 29.02.1984 - 5 AZR 455/81),
die Krankheit muss eine Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters bedingen. Eine Arbeitsunfähigkeit liegt dann vor, wenn der Mitarbeiter infolge der z.B. durch einen Unfall bedingten Krankheit seiner bisherigen vertragsgemäßen Arbeit nicht nachkommen bzw. nur mit der Gefahr nachkommen kann, dass sein Krankheitszustand sich in absehbar naher Zeit verschlimmern könnte (BAG, 09.01.1985 - 5 AZR 415/82). Arbeitsunfähigkeit im objektiv-medizinischen Sinne liegt also nicht erst dann vor, wenn der Arbeitnehmer völlig außerstande ist, die geschuldete Arbeit auszuführen (BAG, 26.07.1989 - 5 AZR 491/88).
Diese Definition trägt dem Umstand Rechnung, dass Arbeitsunfähigkeit nicht den gesundheitlichen Kollaps voraussetzt, der den Arbeitnehmer direkt daran hindert, die vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen (BAG, 17.03.1960 - 2 AZR 471/58).
Das dürfte in Ihrem Falle deswegen unstreitig gegeben sein, da Sie mit nur einer Hand nicht vernünftig arbeiten können. Hinzu kommt, dass nach einer Operation der betroffene Körperteil besonderer Schonung bedarf.
Einer geplanten Reise muss aber derjenige zustimmen, der während der Erkrankung Zahlungen leistet: der Arbeitgeber, wenn noch keine sechs Wochen vergangen sind, die Krankenkasse danach. Wer ohne Genehmigung wegfährt, riskiert die Einstellung der Lohnfortzahlung beziehungsweise des Krankengeldes.
In Ihrem Falle dürfte daher nichts gegen die Reise zu Ihrer Tochter sprechen, Sie sollten sich aber entsprechend nach allen Seiten absichern.