Die Erben eines Verstorbenen bekommen vollen Zugang zu dessen Facebook-Account. Das entschied heute der Bundesgerichtshof (BGH) und fällte damit ein wegweisendes Urteil. Bisher war nämlich umstritten, ob der digitale Nachlass eines Menschen erbrechtlich genauso zu behandeln ist wie sein restliches Erbe.
Facebook und das deutsche Erbrecht
Vor mehr als fünf Jahren starb ein 15-jähriges Mädchen, nachdem sie vor eine U-Bahn gestürzt war. Die Eltern kannten das Passwort zum Facebook-Account des Teenagers, doch sie konnten sich in das Profil nicht einloggen, weil Facebook den Account zu einer sogenannten Gedenkseite umgewandelt hatte. Dabei bleiben die Inhalte wie gepostete Beiträge und Bilder sowie alle Konversationen erhalten, sind aber nicht mehr voll sichtbar – und niemand kann sich mehr mit den Zugangsdaten des Accounts einloggen.
Weil das soziale Netzwerk sich weigerte, den Account freizugeben, klagten die Eltern und bekamen in erster Instanz recht. Doch in zweiter Instanz urteilte das Kammergericht Berlin zugunsten Facebooks. Die Richter argumentierten mit dem Fernmeldegeheimnis und dem Datenschutz, wonach sich andere Facebooknutzer darauf verlassen können müssten, dass Konversationen auf Facebook nicht einfach Fremden zugänglich gemacht werden.
Dagegen gingen die Eltern des toten Mädchens nun vor, so dass in letzter Instanz der Bundesgerichtshof entscheiden musste.
Facebook-Konversation nicht schützenswerter als Tagebuch und Briefe
Der BGH entschied nun, dass die Eltern als Erben des verstorbenen Mädchens sehr wohl Anspruch auf den Facebook-Account ihrer Tochter hätten. Grob zusammengefasst argumentierten die Richter, dass es rechtlich keinen Unterschied zwischen digitalem und analogem Erbe geben könne. Briefe und Tagebücher Verstorbener enthielten auch schützenswerte Informationen über Dritte und gingen trotzdem ganz selbstverständlich in den Besitz der Erben über. Das träfe genauso auch auf Veröffentlichungen und Konversationen in sozialen Netzwerken zu.
Auch auf das Fernmeldegeheimnis und die Datenschutzgesetze könne sich das soziale Netzwerk nicht beziehen. Letztere schützten nur die Rechte lebender Personen, könnten also die Rechte der Verstorbenen nicht verletzen. Und auch die Weitergabe der Daten der Kommunikationspartner verstoße in diesem Fall nicht gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), sondern sei ausdrücklich zulässig.
Die Gegenseite hatte argumentiert, dass Facebook-Nutzer sich gemäß der Nutzungsbedingungen darauf verließen, dass Inhalte, die sie mit anderen Facebook-Usern teilten, auch nur diesen zugänglich gemacht würden. Dem Argument folgte der BGH nicht. Zwar könnte ein Nutzer davon ausgehen, dass das Netzwerk selbst die Nachrichten Dritten nicht zur Verfügung stelle. Aber dass Erben eines Verstorbenen Zugriff auf dessen Profil samt aller Daten erhielten, sei normal und selbst zu Lebzeiten des Kommunikationspartners müssten Beteiligte damit rechnen, dass ein Account zum Beispiel gehackt oder auf andere Weise von Fremden missbraucht würde.
Facebooks Regeln zum Gedenkstatus sind unwirksam
Auch den sogenannten Gedenkstatus von Facebookprofilen nahmen die Richter unter die Lupe – und erklärten die Regelungen dazu für unwirksam. Es ist zu erwarten, dass Facebook an dieser Stelle in den nächsten Wochen seine Nutzungsbedingungen nachjustiert. Für den vorliegenden Fall konnte dieser Punkt aber nicht herangezogen werden, um den Eltern den Zugang zu verweigern. Weitere Regelungen zur Vererbbarkeit von Accounts gibt es in den Nutzungsbedingungen nicht.
Die Eltern des verstorbenen Mädchens mussten mehr als fünf Jahren kämpfen. Jetzt hoffen sie, im Facebook-Profil ihrer Tochter Hinweise darauf zu bekommen, ob der Tod des Mädchens wirklich ein Unfall oder doch Selbstmord war. Das ist auch wichtig, um Schadenersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers, der an dem Unglück beteiligt war, abzuwenden.
Wenn Sie selbst Ihren Erben solchen Ärger ersparen wollen, kümmern Sie sich rechtzeitig darum, auch Ihren digitalen Nachlass rechtssicher zu regeln. Wie das geht, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag: Digitaler Nachlass: Wie Sie Daten und Profile richtig sichern