Aktuelles aus Recht und Justiz

Delegation Poker: Wer genehmigt hier eigentlich was?

Das erste Mal haben wir Delegation Poker 2018 bei der DAHAG eingesetzt und seitdem immer wieder genutzt. Delegation Poker ist ein Format, mit dem man Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten innerhalb einer Gruppe regeln kann. Ich finde das Format super nützlich, um ungeschriebene Gesetze zur Sprache zu bringen, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern.

Es hilft aber auch dabei einen gemeinsamen Nenner für Zuständigkeiten und Freiheitsgrade zu finden. Das Format erzeugt 2 Ergebnisse: Zum einen ein Regelset, wie in konkreten Fällen Entscheidungen getroffen werden können. Zum anderen produktive Diskussionen mit dem ganzen Team, in denen häufig Missverständnisse gefunden und auch direkt gelöst werden. Gerade über die Produktivität der Diskussionen bin ich immer wieder erstaunt und ich halte die Diskussion für den zentralen Bestandteil des Formats. Ich will hier in 7 Schritten beschreiben, wie wir vorgegangen sind.

Zeitaufwand:

  • Für den Moderator: 2 Stunden für Vor- beziehungsweise Nachbereitung
  • Für das gesamte Team: 2 Stunden

Rückblickend hat uns das Delegation Poker folgende Vorteile gebracht:

  • Reflexion: Bewusstwerden etablierter Abläufe
  • Sicherheit im täglichen Handeln: Sicherheit über das, was jeder selbst entscheiden darf und was nicht. Das war besonders für neue Kollegen extrem hilfreich.
  • Entlastung des direkten Vorgesetzten
  • Schnelle Entscheidungen: Wir können mittlerweile sehr schnell Entscheidungen treffen (manchmal sogar Gute :-D )
  • Verantwortungsübernahme: Viele Kollegen wollten von sich aus mehr Verantwortung übernehmen – sei es alleine oder zu zweit.
  • Weniger Missverständnisse: Glaube ich. Zumindest haben wir einige enttarnt; wir haben aber mit Sicherheit noch genügend Missverständnisse rumschwirren.

Fallstricke beim Delegation Poker:

  • Verstrickung in Kleinigkeiten: Wir haben uns während des Pokerns ein paar Mal in theoretisch mögliche, aber sehr unwahrscheinliche Szenarien verstrickt. Hier hat uns geholfen zu sagen: Wir probieren es jetzt einfach mal so, wenn es schief läuft sollten wir das Delegation Poker wiederholen und nachbessern. 
  • Regelwut: Einige Male hat der Drang zur Regelungswut etwas überhandgenommen. Abhilfe schafft es, davon auszugehen, dass alle im Team im Zweifel mit gesundem Menschenverstand handeln würden.

Voraussetzungen:

  • Probleme: Unklarheiten für Abläufe und Verantwortungen (im folgenden “Stories” genannt)
  • Zeit: 2 Stunden Zeit für die Delegation Poker-Session
  • Vertrauen: Gegenseitiges Vertrauen im Team und zwischen Team und Vorgesetzten. Da ich unser Vertrauensverhältnis im Team als recht gut einschätze kann ich nicht sagen, was passiert, wenn dieses fehlt. 
  • Wille des Vorgesetzten: Ehrliche, gelebte Bereitschaft des Vorgesetzten, Verantwortung abzugeben. Das heißt aber trotzdem, wenn was schief geht, muss er meist doch den Kopf wieder hinhalten. 

Vorbereitung: Sammelt Stories (Unklarheiten)

Jeder einzelne schreibt auf, wo ihm Verantwortungen oder Abläufe unklar sind. Beispiel:

  1. Urlaub: Wie entscheiden wir, ob Urlaub genehmigt wird?
  2. Anschaffungen unter 100 €: Wie entscheiden wir, ob Anschaffungen unter 100 € gemacht werden?
  3. Bewerbungen: Wie entscheiden wir, welche Bewerber eingeladen werden?
  4. Fortbildungen: Wie entscheiden wir, wer an welcher Fortbildung teilnehmen darf?
  5. Textfreigaben: Wie entscheiden wir über die Freigabe von Texten auf der Unternehmenswebsite?

Priorisierung

Findet eine Reihenfolge, nach der ihr die Stories pokern wollt (zum Beispiel die Stories zuerst, die zurzeit am meisten blockieren beziehungsweise die größte negative Auswirkung auf die Arbeit haben). Wenn ihr das erste Mal pokert ist es sinnvoll einen Probelauf zu machen. Am besten nutzt ihr dazu eine fiktive Story, wie “Wie entscheiden wir, ob wir ins Schwimmbad gehen?”.

Ablauf

1. Story erklären: Der Moderator (Am besten jemand außerhalb eurer Abteilung beziehungsweise jemand neutrales) bittet denjenigen, der die Story eingebracht hat zu erzählen, was mit der Story entschieden werden soll und wo zurzeit die Unklarheiten sind. An dieser Stelle sind bei uns bereits sehr gute Diskussionen entstanden. Zeit: ca. 5 - 10 Minuten

2. Pokern: Jeder hat einen Stapel mit 8 Karten vor sich. Jede der Karten steht für eine bestimmte Abstufung von Mitspracherechten. Der Moderator bittet jeden, eine Stufe zu wählen, nach der in Zukunft über die Frage entschieden werden soll. Jeder legt seine Karte verdeckt auf den Tisch. Durch die geheime Wahl soll vermieden werden, dass man sich gegenseitig beeinflusst.

Delegationsstufe Beispiel anhand der Story “Wie entscheiden wir, ob wir ins Schwimmbad gehen?”
1 - Mitteilen:  
Der Verantwortliche trifft die Entscheidung alleine und teilt diese mit. Er erklärt sie aber nicht. Der Chef entscheidet: “Packt eure Sachen, wir gehen jetzt alle ins Schwimmbad.”
2 - Erklären:  
Der Verantwortliche trifft die Entscheidung alleine, teilt diese mit und erklärt sie. Der Chef entscheidet: “Packt eure Sachen, wir gehen jetzt alle ins Schwimmbad. Erklärung: Es ist so heiß, da kann ja Niemand mehr arbeiten.”
3 - Befragen:  
Der Verantwortliche holt sich weitere Meinungen ein und trifft die Entscheidung alleine. Er teilt die Entscheidung mit und erklärt sie auch. Der Chef fragt einige oder einen aus dem Team nach der Meinung zum Schwimmbadbesuch. Letztlich entscheidet aber er, was getan wird – ggf. auch entgegen dem Meinungsbild im Team.
4 - Abstimmen im Konsens:  
Die Entscheidung ist getroffen, wenn alle in der verantwortlichen Gruppe dafür sind. Könnte so aussehen: Im Delegation Poker haben sich 3 Personen bereit erklärt die “Schwimmbad-Entscheidungsträger” zu sein. Sobald es im Büro min. 30 Grad hat, entscheidet die 3er Gruppe, ob das gesamte Team ins Schwimmbad geht. Die Entscheidung ist erst getroffen, wenn alle 3 Schwimmbad-Entscheidungsträger dafür sind (= Konsens).
5 - Abstimmen im Konsent:  
Die Entscheidung ist getroffen, wenn keiner in der verantwortlichen Gruppe dagegen ist. Könnte so aussehen: Im Delegation Poker haben sich 3 Personen bereit erklärt die “Schwimmbad-Entscheidungsträger” zu sein. Sobald es im Büro min. 30 Grad hat, entscheidet die 3er Gruppe, ob das gesamte Team ins Schwimmbad geht. Die Entscheidung ist dann getroffen, wenn keiner der 3 Schwimmbad-Entscheidungsträger etwas dagegen hat (= Konsent).
6 - Konsultativer Einzelentscheid:  
Jeder kann die Entscheidung selbst treffen, muss sich davor aber weitere Meinungen einholen. Er teilt die Entscheidung mit. Jeder einzelne fragt einige oder einen aus dem Team nach der Meinung zum Schwimmbadbesuch. Letztlich entscheidet aber er alleine, ob er ins Schwimmbad geht oder nicht - ggf. auch entgegen dem Meinungsbild im Team.
7 - Einzelentscheid mit Info:  
Jeder kann die Entscheidung selbst treffen und teilt diese mit. Jeder entscheidet selbst, ob er ins Schwimmbad geht. Er muss aber die anderen über seine Entscheidung informieren.
8 - Einzelentscheid ohne Info:  
Jeder kann die Entscheidung selbst treffen. Er muss seine Entscheidung nicht mitteilen. Jeder entscheidet selbst, ob er ins Schwimmbad geht. Eine Info an die anderen ist nicht nötig.

3. Aufdecken: Der Moderator bittet alle auf einmal, ihre Karten aufzudecken.

4. Übertragen: Der Moderator trägt für alle sichtbar am Whiteboard ein, wie die Wahl ausfiel.

 

5. Diskussion: Der Moderator bittet jeweils diejenigen, die die höchsten und niedrigsten Stufen gewählt haben, den anderen zu erklären, warum sie sich so entschieden haben. Da dies die extremsten Meinungen sind, ist dies ein guter Einstiegspunkt für eine Diskussion. Lasst hier eine Diskussion von ca. 5 - 10 Minuten zu.

6. Refinement: Dies ist der schwierigste Teil für den Moderator: Ziel ist es, dass sich das Team auf eine Delegationsstufe einigt. Wer seine Meinung im Laufe der Diskussion ändert, kann seine gewählte Stufe wechseln. Falls das nicht von alleine passiert, habe ich oft sowas gefragt wie: “Matthias, du hörst dich so an, als ob du auch mit einer Stufe X einverstanden sein könntest. Hättest du was dagegen, von Y nach X zu wechseln?”. Wenn die Diskussion nicht weiter kommt, hilft es, die gleiche Story noch Mal zu Pokern, da sich das Meinungsbild nach der ersten Diskussion meist in eine Richtung, also hin zu einer gemeinsamen Delegationsstufe verschiebt. Ziel ist es, dass zum Schluss alle mit einer Stufe einverstanden sind.

7. Story abschließen: Sobald sich alle auf eine Stufe einigen konnten, ist die Story fertig gepokert. Am besten wiederholt der Moderator noch mal an einem Beispiel, was die Stufe jetzt konkret bedeutet, damit hier möglichst wenige Missverständnisse entstehen. Ihr könnt dann mit der nächsten Story weiter machen.

Delegation Poker ist kein fertiges Regelset für Teams

Das Delegation Poker ist kein fertiges Regelset, das ihr ohne viel Denkarbeit anwenden könnt. Es ist vielmehr eine Struktur, um eine Diskussion in größerer Runde zu ermöglichen. Vor allem aber glaube ich, dass das Format Freiheitsgrade für das Team ermöglicht. Denn indem wir abstecken, was nicht erlaubt ist, sagen wir auf der anderen Seite automatisch auch, was erlaubt ist. Eben genau das meine ich mit Freiheitsgraden.

Wichtig: Ich fand es extrem wichtig der Versuchung zu widerstehen, jeden noch so erdenklichen Corner Case mit einer Regelung abzudecken. Viel hilfreicher war es immer wieder daran zu erinnern, dass ich grundsätzlich davon ausgehe, dass jeder mit gesundem Menschenverstand handelt und im Einzelfall schon das Richtige tun wird. Das hat sich auch bewahrheitet: Rückblickend ist der gesunde Menschenverstand die große Überschrift, unter der das Delegation Poker bei uns erfolgreich ist.

Einfaches Kartenset zum Ausdrucken und ausschneiden:

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