Die Ratlosigkeit erstaunt, mit der die aktuelle Finanzkrise Griechenlands, Stichwort Grexit, die Regierungen in Europa herausfordert und letztendlich das ganze europäische politische und rechtliche System in Frage stellt. Zu vermeiden sind jedenfalls Vereinbarungen ähnlich wie der unglückliche Kriegsschuldartikel 231 des Versailler Vertrages, der eine Mitursache für den zweiten Weltkrieg setzte. Deutschland befindet sich hier erstmalig auf der anderen Seite und sollte zeigen, dass es von den vorbildlichen Verträgen der damaligen Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg gelernt hat.
Insgesamt frage ich mich, warum es eigentlich immer noch kein reglementiertes Verfahren gibt, das das Vorgehen bei Insolvenz eines europäischen Mitgliedsstaats vernünftig regelt. Ähnlich wie niemand auf die Idee käme, einem Insolvenzschuldner wegen der Insolvenz die Staatsangehörigkeit zu entziehen, erscheint es abwegig, nun gleich einen Austritt Griechenlands aus der EG zu fordern. Oder wie der gerade abgedankte griechische Finanzminister von Terrorismus oder Erpressung durch seine Kollegen zu reden.
Aber es muss ein geordnetes Verfahren geben, das letztendlich geregelt einen Ausgleich schafft zwischen den Interessen der Gläubigerländer und denen des überschuldeten Staatssystems, das seine Schulden nicht mehr begleichen kann oder will. Griechenland hat sicherlich ein bislang übergangenes Recht darauf, irgendwann einmal wieder nicht mehr fremdbestimmt den eigenen Finanzhaushalt regeln zu dürfen.
Um dafür eine konstruktive politische Lösung zu finden, muss man das Rad nicht neu erfinden, sondern man braucht eigentlich nur auf den bereits vorhandenen Bestand an nationalen und internationalen Regelwerken zurückzugreifen, die internationale Insolvenzen bereits regeln.
Zu denken ist etwa an nationale Insolvenzgesetze oder das Mustergesetz nach der UN-Resolution A 52/158 betreffend grenzüberschreitende Insolvenzen (Cross-Border Insolvency). Der Erlass solch eines Regelwerks, das die völkerrechtliche Insolvenz eines Mitgliedsstaats der europäischen Union reglementiert, könnte dann entweder durch das Europäische Parlament oder durch eine andere internationale Organisation in die Wege geleitet werden.
Das betroffene Land sollte als Sanktion für eine befristete Zeit Teile der finanziellen Souveränität abgeben und Teile des Staatshaushalts, analog zu einem Insolvenzverfahren, einer getrennten Organisation unterstellen müssen, die die Funktion des internationalen Insolvenzverwalters ausübt.
Schließlich muss oder sollte es eine Zeit analog der Wohlverhaltensperiode geben, die im Ergebnis aber zu einer allseits verbindlichen Restschuldbefreiung führt.