Lange Zeit hieß es: Wird ein Flug infolge eines Streiks annulliert, kann sich die Airline auf außergewöhnliche Umstände berufen und der Reisende hat Pech gehabt. Ganz so pauschal lässt sich das jedoch nicht sagen und immer mehr Gerichte betonen, dass Streik nicht gleich Streik ist. Immerhin heißt es in der Fluggastrechte-Verordnung: Außergewöhnliche Umstände sind die, „die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“. Doch welche Maßnahmen können den Airlines zugemutet werden?
Entschädigungsansprüche bei wilden Streiks
Im April dieses Jahres urteilte der Europäische Gerichtshof, dass Passagieren bei sogenannten wilden Streiks, die tarifrechtlich nicht erlaubt sind, durchaus ein Ausgleichsanspruch zustehen kann (Az. C-195/17). Das Urteil bezog sich auf die Arbeitsniederlegung der TUIFly-Mitarbeiter im Herbst 2016. Die Airline musste damals aufgrund von zahlreichen Krankmeldungen mehr als 100 Flüge streichen. Außergewöhnliche Umstände lagen nach Ansicht der Richter nicht vor, da das Unternehmen infolge der überraschend angekündigten Umstrukturierungen mit Konflikten mit den Angestellten habe rechnen müssen. Die Situation sei dementsprechend der normalen Betriebstätigkeit zuzuordnen.
Luxemburgisches Gericht folgt EuGH-Urteil
Das Friedensgericht Luxemburg folgte im Juli 2018 der Rechtsprechung des EuGH und sprach einem klagenden Ehepaar, das im Herbst 2016 vom Lufthansa-Streik betroffen war, eine Entschädigung zu. Bei der Entscheidung beriefen sich die Richter auf das Urteil des obersten EU-Gerichts betonten, dass es sich beim vorliegenden Streik – obwohl dieser von der Gewerkschaft offiziell ausgerufen wurde – nicht um außergewöhnliche Umstände gehandelt habe. Ein derartiges fluggastfreundliches Urteil wurde von deutschen Gerichten zwar noch nicht gefällt, doch legt die Entscheidung nahe, dass Streik-Betroffene nicht direkt den Kopf in den Sand stecken sollten: Stattdessen sollten sie sich mit ihren Ansprüchen unter Berufung auf das EuGH-Urteil an die jeweilige Airline wenden. Dies rät auch das Europäische Verbraucherzentrum (EVZ), vor allem in Anbetracht der aktuellen Streikwelle der Billig-Airline Ryanair.
Entschädigung bei Streik des Sicherheitspersonals
Zwar sprachen deutsche Richter klagenden Reisenden noch keine Entschädigung im Falle eines gängigen Piloten- oder Flugbegleiterstreiks zu, doch urteilte der Bundesgerichtshof vor Kurzem, dass die Arbeitsniederlegung des Sicherheitspersonals durchaus Ausgleichszahlungen begründen könne (Az. X ZR 111/17). Im vorliegenden Fall hatte ein Ehepaar einen Easyjet-Flug von Hamburg nach Lanzarote gebucht. Nachdem die Airline von Streiks an den Passagierkontrollen erfahren hatte, wurde der Flug kurzerhand gestrichen.
Gemäß BGH-Urteil liegen hier keine außergewöhnlichen Umstände vor. Zwar schien es wahrscheinlich, dass zahlreiche Passagiere den Flug streikbedingt verpassen würden, doch könne die Airline nicht davon ausgehen, dass kein einziger Reisender es pünktlich durch die Kontrollen schafft. Der BGH wies den Fall zur erneuten Prüfung an die Vorinstanz zurück.
Fazit:
Wird Ihr Flug streikbedingt gestrichen und beruft sich die Airline dabei auf außergewöhnliche Umstände, sollten Sie die Hoffnung auf Ausgleichszahlungen nicht direkt aufgeben. Wenden Sie sich mit Ihren Forderungen an die Airline und verweisen Sie auf die oben genannten Urteile, insbesondere auf die Entscheidung des EuGH. Denn wie so oft in der Rechtsprechung gilt auch bei Flugstreiks: Es kommt immer auf den Einzelfall an!