Der Hintermann fährt viel zu dicht auf, Fremde nutzen ohne Erlaubnis den Privatparkplatz, die Ampel schaltet auf Grün, aber der Vordermann schläft. Jeder hat sich im Straßenverkehr schon einmal über das Verhalten anderer geärgert und sich gewünscht, den Verkehrssündern einfach selbst eine Lektion erteilen zu können. Doch welche Akte der Selbstjustiz sind im Straßenverkehr eigentlich zugelassen?
Darf ich Drängler durch eine abrupte Bremsung in ihre Schranken weisen?
Situation: Ich halte mich ordnungsgemäß an das Tempolimit, doch der Hintermann fährt viel zu dicht auf. Eine abrupte Bremsung würde dem Drängler sicher eine Lektion erteilen.
Rechtslage: Selbstjustiz im Straßenverkehr ist zu verurteilen. Provozieren Sie durch eine abrupte Bremsung einen Auffahrunfall, gilt die Faustregel „der Auffahrende ist schuld“ nicht. Wer absichtlich eine Gefährdung oder sogar einen Schaden in Kauf nimmt, muss damit rechnen, unter Umständen sogar die Gesamtschuld zu tragen.
Darf ich hupen, wenn mein Vordermann an der Ampel schläft?
Situation: Ich bin etwas in Eile und ausgerechnet jetzt schläft der Vordermann, wenn die Ampel auf Grün schaltet. Darf ich ihn durch Hupen darauf aufmerksam machen?
Rechtslage: Nein. Laut §16 StVO dürfen Sie Schall- oder Leuchtzeichen nur in zwei Fällen als Warnzeichen nutzen:
- Wenn Sie außerhalb geschlossener Ortschaften überholen
- Wenn Sie sich selbst oder Andere gefährdet sehen
Die Verwendung der Hupe, um andere Autofahrer auf eine grüne Ampel hinzuweisen, ist also ganz klar untersagt und kann ein Bußgeld von 5 bis 10 Euro mit sich bringen.
Gut zu wissen: Dass das Verwenden der Hupe oder Lichthupe als Zeichen von Ungeduld oder Wut generell untersagt ist, ist den meisten geläufig. Doch auch wer diese mit guten Absichten verwendet, muss unter Umständen mit einem Bußgeld rechnen. Dieses kann beispielsweise dann fällig sein, wenn Sie andere Verkehrsteilnehmer vor einer Radarfalle warnen wollen oder wenn Sie einem anderen Autofahrer an einer Engstelle signalisieren wollen, dass Sie ihm gerne die Vorfahrt gewähren.
Darf ich andere zuparken, wenn diese meinen Privatparkplatz nutzen?
Situation: Jemand hat sich ohne meine Erlaubnis auf meinen Privatparkplatz gestellt. Darf ich den Falschparker jetzt zuparken?
Rechtslage: Nein. Das bewusste Zuparken kann als Straftatbestand der Nötigung gesehen werden und dementsprechend schwerwiegende Konsequenzen haben. Sollten Sie es nicht allzu eilig haben, empfiehlt sich, das falsch geparkte Auto zunächst zu beobachten und das klärende Gespräch mit dem Halter zu suchen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, die Polizei zu rufen. Diese kann bei Falschparkern auf Privatgrundstücken jedoch nicht direkt durchgreifen, sondern wird zunächst die Personalien des Fahrzeughalters ermitteln und diesen kontaktieren. Sollten Sie keine andere Möglichkeit sehen als das Auto entfernen zu lassen, können Sie auch einen Abschleppdienst beauftragen. Denken Sie aber daran, dass Sie die Kosten dafür zunächst auslegen müssen und erst im Nachhinein zurückfordern können. Problematisch könnte auch sein, wenn der Halter mit dem Auto wegfährt, bevor der Abschleppdienst erscheint: Dann werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Kosten für die Anfahrt sitzen bleiben.
Darf ich als Privatperson Strafzettel verteilen?
Situation: Jemand parkt ohne Erlaubnis auf meinem Grundstück. Darf ich ihm einfach selbst einen Strafzettel ausstellen?
Rechtslage: Hierbei handelt es sich um eine rechtliche Grauzone. Geht es um Ihr Privatgrundstück, dürfen Sie grundsätzlich ein Knöllchen verteilen, allerdings darf der geforderte Betrag nicht über den üblichen Sätzen der Verwarngelder der Polizei liegen. Es gilt aber auch, dass Sie die Forderung privat eintreiben müssen; eine rechtliche Grundlage gibt es nicht. Daher raten Experten eher von der Selbstjustiz ab.
Gut zu wissen: Auf den Parkplätzen vieler Firmen – beispielsweise bei Supermärkten – werden immer häufiger Sicherheitsdienste damit beauftragt, Strafzettel für zu langes oder generell unrechtmäßiges Parken auszustellen. Die rechtliche Grundlage ist hier weniger in der StVO als vielmehr im Vertragsrecht angesiedelt: Fährt man auf den Privatprivatplatz, entspricht dies einem Vertragsabschluss. Sie stimmen also automatisch den AGB und der Parkplatzordnung zu, die am Parkplatzschild öffentlich zu lesen sein müssen. Stellen Sie Ihr Auto dann länger als zulässig dort ab, verstoßen Sie gegen den geschlossenen Vertrag. Es mag zwar ärgerlich sein, aber das privat ausgestellte „Knöllchen“ ist durchaus rechtens.
Darf ich selbst Verkehrsschilder aufstellen?
Situation: Die Straße vor unserem Haus birgt ein Risiko für meine Kinder. Kann ich nicht einfach selbst einen Zebrastreifen malen oder ein Hinweisschild aufstellen?
Rechtslage: Nein. Die Straßenverkehrsordnung besagt, dass alles was mit Verkehrszeichen verwechselt werden kann und/oder deren Wirkung beeinträchtigt, nicht verwendet werden darf, wenn der Verkehr davon betroffen werden könnte. Ein Vater, der zum Schutz seiner Kinder einen Zebrastreifen auf die Straße malte, wurde dementsprechend zu einem Bußgeld verurteilt. Zusätzlich musste er die Reinigungskosten übernehmen. Noch schlimmer kommt es, wenn eine derartige Handlung vor Gericht als Amtsanmaßung ausgelegt wird. Dann steht eine höhere Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zur Debatte.
Gut zu wissen: Hätten Sie gerne eine Tempo-30-Zone oder einen verkehrsberuhigten Bereich vor Ihrer Haustür, können Sie sich mit diesem Wunsch an den jeweiligen Fachbereich Ihrer Stadt oder Gemeinde wenden. Der Antrag sollte inhaltlich zwar Hand und Fuß haben, doch genügt ein formloses Schreiben. Eine Schule aus Herne verpackte den Wunsch nach einem Tempo-30-Bereich beispielsweise in einem Brief an den Weihnachtsmann. Dieser landete jedoch nicht am Nordpol, sondern im städtischen Rathaus. Der Weihnachtswunsch der Herner Schüler ging nach Prüfung der Verkehrslage kurze Zeit später in Erfüllung.
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