Seit Halloween im September 1994 von der „Fachgruppe Karneval im Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DSVI)“ hierzulande etabliert wurde, gewinnt es immer mehr an Beliebtheit. Fast eine halbe Milliarde Euro investieren die Deutschen in die Nacht des Grauens. Am meisten wird dabei für Süßigkeiten und gruselige Kostüme ausgegeben. Aber darf ich überhaupt komplett maskiert zur Halloweenparty fahren oder Passanten im Gruselkostüm erschrecken? Dr. Jannis Konstas, Justiziar der DAHAG Rechtsservices AG, beantwortet im Interview diese und weitere Fragen rund um rechtliche Fallstricke an Halloween.
Wenn ich kostümiert auf dem Weg zu einer Halloweenparty bin, verstoße ich dann bereits gegen deutsche Gesetze?
Nur, wenn Sie mit einem Kraftfahrzeug unterwegs sind. Nach § 23 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf ein Kraftfahrzeugführer sein Gesicht nicht verdecken oder verhüllen, sodass er nicht mehr erkennbar ist. Eine Halloweenmaske ist im Auto also unzulässig. Auf dem Fahrrad oder auch zu Fuß dürfen Sie sich so maskieren, wie es Ihnen gefällt. Allerdings darf die Verkehrssicherheit, also Gehör und Sicht, nicht beeinträchtigt sein. Fahren Sie also mit einer Maske Fahrrad, die nur sehr kleine Augenschlitze hat, kann das durchaus Konsequenzen nach sich ziehen.
Aber in öffentlichen Verkehrsmitteln wäre das kein Problem?
Nein. Ein Vermummungs- oder Maskierungsverbot gibt es in Deutschland nur bei öffentlichen Demonstrationen. U-Bahn oder Bus fahren können Sie daher auch komplett maskiert – als Monster, Vampir, Hexe oder auch als Kürbis.
Darf ich denn an Halloween meine Bekannten oder auch Fremde auf der Straße in einem gruseligen Kostüm erschrecken?
Ich nehme an, Sie sprechen auch auf das Unwesen der Horrorclowns vor ein paar Jahren an. Sollten Sie auf der Straße Panik verbreiten, kann darin im Einzelfall sogar Körperverletzung liegen, wenn die Opfer psychisch beeinträchtigt werden. Das gilt beispielsweise, wenn sich zum Beispiel Schlaflosigkeit aufgrund von Angst einstellt. Es wurde auch schon – zugegeben für einen sehr drastischen Fall eines Horrorclowns – eine Freiheitsstrafe verhängt.
Also ist das Erschrecken von Passanten an Halloween nicht als sozialadäquat – also gesellschaftlich toleriert – anzusehen?
Meiner persönlichen Auffassung nach nicht. Bei Halloween steht in Deutschland kein Brauch dahinter, der das rechtfertigen würde. Anders verhält es sich zum Beispiel bei dem Klausentreiben im Allgäu. Das geht auf einen alten Brauch zurück, bei dem sich die Männer mit Fellen und Tierhäuten verkleideten und mit viel Lärm von Haus zu Haus zogen, um Dämonen zu vertreiben. Heute ist dieses Spektakel eine Touristenattraktion und die Leute fahren extra hin um sich erschrecken zu lassen. Solange aber niemandem ein Schaden entsteht, können Sie auch an Halloween verkleidet durch die Straße laufen.
Was, wenn aber ein Schaden entsteht. Angenommen ich erschrecke einen Passanten mit einer Scherzwaffe und dieser geht deswegen auf mich los. Handelt er dann in Notwehr oder macht er sich strafbar?
Wenn er tatsächlich denkt, dass Sie ihn angreifen, dann handelt er in Notwehr. War der Irrtum allerdings vermeidbar und sieht das Gesetz eine Strafbarkeit bei fahrlässigem Handeln vor, dann führt dies nur zu einer Strafbarkeit wegen dieser Fahrlässigkeit. Einfacher ausgedrückt: Sie erschrecken ihn, er haut Ihnen eine rein. Hätte er erkennen können, dass Sie ihn gar nicht angreifen wollten, macht er sich wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar.
„Süßes, sonst gibt’s Saures“ fragen die Kids an Halloween und spielen einen Streich, wenn sie keine Süßigkeiten bekommen. Wann geht ein solcher Streich aus rechtlicher Sicht zu weit?
Rechtlich geht ein Scherz dann zu weit, wenn die Rechtspositionen des Opfers beeinflusst werden, also wenn jemand durch den Scherz verletzt wird oder wenn jemandem ein Schaden daraus entsteht. Spätestens, wenn Türschlösser zugeklebt oder Briefkästen in die Luft gesprengt werden, hört der Spaß auf. Das ist auf jeden Fall strafbar. Wenn dagegen Zahnpasta an die Türklinke geschmiert wird, ist das zwar verdammt ärgerlich, aber es entsteht kein dauerhafter Schaden. Streng genommen handelt es sich aber bereits bei dem Spruch „Süßes oder Saures“ um einen Straftatbestand, nämlich um Erpressung.
Wieso das denn?
Naja, mit „Saures“ wird ein Übel, also ein Streich, angedroht. Gleichzeitig wird der Geschädigte zu einer sogenannten Vermögensverfügung, also „Süßem“, veranlasst. Gib mir etwas oder dir droht ein Übel - so definiert sich Erpressung. Wer einwendet, es gehe nur um Süßigkeiten: Sie gehen ja auch nicht in den Supermarkt und klauen Schokolade.
Welche Konsequenzen könnten denn auf Kinder zukommen, wenn ihr Halloweenscherz doch zu weit geht?
Das kommt ganz darauf an. Aus strafrechtlicher Sicht ist ein Kind, das 13 Jahre und jünger ist, nicht verantwortlich zu machen. Begeht aber ein 15-Jähriger eine Straftat und setzt beispielsweise ein Auto in Brand, dann greift das Jugendstrafrecht. Dieses sieht aber eher Erziehung als Bestrafung vor. Die Jugendrichter können dann aus einem breiten Arsenal von Maßnahmen wählen. Das reicht von Ermahnungen über Sozialstunden bis hin zur Jugendstrafe.
Gehen wir mal davon aus, dass es nicht gleich so eskaliert. Was, wenn einfach nur ein geringer Schaden, zum Beispiel ein Kratzer an der Haustür, entsteht?
In zivilrechtlicher Hinsicht müssen Kinder schon früher haften. Die Deliktsfähigkeit beginnt ab sieben Jahren, wenn der Minderjährige die erforderliche Einsicht hatte. Ein 12- Jähriger, der ein Türschloss mit Sekundenkleber verklebt oder die Haustür zerkratzt, dürfte für den dadurch entstandenen Schaden haften. Wenn der Geschädigte gegen den Jugendlichen einen „Titel“ erwirkt hat, also zum Beispiel ein Urteil oder einen Vollstreckungsbescheid, dann haftet der Minderjährige dafür die nächsten 30 Jahre.
Heißt das, ein Kind kann 30 Jahre lang für einen Schaden, den es verursacht hat, zur Kasse gebeten werden?
Ja. Wenn das Kind zum Zeitpunkt der Tat noch kein Geld besitzt, um Schadensersatz zu leisten, kann das noch 30 Jahre später über den Vollstreckungstitel von ihm eingetrieben werden. Und diese Titel sind darüber hinaus für heutige Verhältnisse gut verzinst. Die Summe, die das Kind zahlen muss, steigt also mit jedem Jahr, das verstreicht. Selbstverständlich können die Schulden aber auch von Dritten, zum Beispiel von Eltern, bezahlt werden.
Zahlt denn eine Versicherung für Schäden, die durch Halloweenscherze entstanden sind?
Naja, die Haftpflichtversicherung zahlt nur dann, wenn ein Schaden durch Fahrlässigkeit entstanden ist. Bei vorsätzlichem Handeln definitiv nicht. Wenn den Eltern vorgeworfen wird, dass sie sich nicht darum gekümmert haben, was die Kinder an Halloween treiben, dann ist das in den Bereich der Fahrlässigkeit zu verorten. Wenn aber der vorhin erwähnte 12-Jährige Schlösser zuklebt, dann ist das Vorsatz und die Haftpflichtversicherung zahlt nicht für den Jugendlichen.
Kann mein Kind denn auch zur Verantwortung gezogen werden, wenn seine Freunde einen Halloweenstreich spielen und es eigentlich nur dabei zusieht?
Das hängt vom Einzelfall ab. Insbesondere ob das „Zusehen“ als Beihilfehandlung gewertet werden kann. Darunter kann auch psychologische Unterstützung fallen. Wir kennen das doch alle: Einer allein traut sich nicht, zum Beispiel einen Klingelstreich zu spielen, aber wenn andere Kinder dabei sind und ihn anfeuern, findet er plötzlich den Mut.
„Eltern haften für ihre Kinder“ ist ein weitverbreiteter Rechtsmythos. Wie ist das bei Kinderstreichen an Halloween? Können Eltern in dem Fall tatsächlich für die Streiche ihrer Kinder haftbar gemacht werden?
Grundsätzlich schon. Allerdings haften sie genau genommen nicht für ihre Kinder, sondern für das eigene Verschulden. Beispielsweise wenn sie nachweislich die elterliche Aufsichtspflicht verletzt haben. Dann haften sie unter Umständen sogar auch gegenüber ihren Kindern. Zum Beispiel, wenn die Mutter selbst nie Schokolade von Fremden annehmen würde, weil sie vergiftet sein könnte, ihrem Kind aber erlaubt, diese zu essen. In der Theorie könnte dann also das Kind – oder auch das Jugendamt im Namen des Kindes – die Mutter verklagen.
Was genau sollten Eltern ihren Kindern also mit auf den Weg geben?
Niemandem wehtun und nichts kaputt machen. Mittlerweile hat sich auch herumgesprochen, dass nicht jeder Halloween so toll findet, deshalb: Nur dort klingeln, wo auch entsprechend dekoriert ist. Wenn am Haus ein beleuchteter Kürbis steht, kann man davon ausgehen, dass die jeweiligen Bewohner dem Brauch aufgeschlossen gegenüber stehen. Wenn nicht, einfach lassen.
Werfen wir mal einen Blick auf die andere Seite. Was kann ich tun, wenn ich Opfer von nicht ganz so harmlosen Halloweenstreichen geworden bin?
Viel können Sie leider nicht tun. Sie müssen den Verantwortlichen finden. Da die „Halloween-Raubzüge“ eher lokal begrenzt sind, ist das vielleicht sogar möglich. In Wohngebieten kennt man die Nachbarn und die Kinder, die um die Häuser ziehen. Vielleicht hat jemand was beobachtet? Sie könnten sogar eine Kamera aufstellen und Ihr Haus filmen.
Das ist erlaubt?
Ja. Es sprechen keinerlei Datenschutzgründe dagegen, solange Sie ausschließlich Ihr Privateigentum filmen. Also das Haus, den Garten oder die Eingangstür. Grundstücke von anderen oder gemeinsam genutzte Bereiche dürfen Sie nicht filmen. Außerdem sollten Sie durch ein Hinweisschild informieren, dass eine Videoüberwachung erfolgt. Veröffentlichen Sie die Aufnahmen nicht und löschen Sie die Aufnahmen, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Auf öffentliche Straßen hinaus dürfen Sie die Kamera nicht richten. Es sei denn, Sie sehen, dass etwas passiert. Beobachten Sie zum Beispiel jemanden beim Besprühen von Autos, dürfen Sie da auch mit der Kamera direkt draufhalten.
Fazit:
Gefährden Sie niemanden und fügen Sie niemandem einen Schaden zu, können Sie Halloween ganz unbesorgt feiern. Sollte aber doch ein Schaden entstanden sein – zum Beispiel durch einen aus dem Ruder gelaufenen Halloweenscherz – muss die Frage der Haftung geklärt werden. Eine erste Einschätzung der Lage geben die selbstständigen Partnerkanzleien täglich von 07-01 Uhr telefonisch – also auch in der Halloweennacht.