Bei der im BGB gesetzlich verankerten Abmahnung handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts seitens des Arbeitgebers. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn auf, sich zukünftig vertragstreu zu verhalten auf und kündigt individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Eine solche nur in ihrer Doppelfunktion formal vollständige und damit rechtmäßige Abmahnung wird üblicherweise in die Personalakte aufgenommen, um etwa im Wiederholungsfall eine rechtmäßige Kündigung aussprechen zu können.
Wem in seinem Job eine Abmahnung erteilt wurde, der darf jedoch - etwa beim Arbeitswechsel - deren Entfernung aus seiner Personalakte verlangen. Allerdings nur, wenn die Abmahnung seinerzeit zu Unrecht erteilt wurde.
Zweifellos behindert ein solches Papier den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und beeinträchtigt somit sein Persönlichkeitsrecht. Wobei das aber nicht schon der Fall ist, wenn es sich bei dem aktenkundig gemachten Vorwurf um eine scheinbare Banalität gehandelt hat, über die ein großzügigerer Arbeitgeber möglicherweise hinwegsehen hätte, weil dem Gerügten offenbar ein bewusster Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten fern lag. Es kommt jedenfalls nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer der Pflichtenverstoß subjektiv vorwerfbar ist, sondern es ist prinzipiell hinreichend, dass der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten feststellt und rügt.
Zumindest bei einem Arbeitgeberwechsel hat der Betroffene in der Tat ein berechtigtes Interesse, dass eine umstrittene Abmahnung vorher noch aus seiner Personalakte entfernt wird. Allerdings besteht ein arbeitsrechtlicher Anspruch darauf tatsächlich nur in fünf Fällen:
o Wenn die dokumentierte Zurechtweisung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist,
o unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,
o auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht,
o den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt
o oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.
War die - rechtmäßige - Abmahnung der Grund des Jobwechsels, ist der alte Arbeitgeber wegen der ihm obliegenden Wahrheitspflicht dagegen geradezu verpflichtet, diese dem neuen Arbeitgeber bei Nachfrage nicht vorzuenthalten. Obwohl der betroffene Arbeitnehmer daran ein nachzuvollziehendes Eigeninteresse haben mag.
Andererseits muss eine zu Recht ausgesprochene Abmahnung immer konkret sein und ist ohne Wenn und Aber wieder aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie - was in der Praxis oft vorkommt - statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Sammelvorwürfe enthält. Tut das der Arbeitgeber zumindest auf Anforderung des Arbeitnehmers nicht, macht er sich unter Umständen der Unterlassung strafbar und hat für die Folgen seines vorsätzlichen Nichttuns zu haften.
Rechtsanwältin Tanja Leopold