Hinweisgeberschutzgesetz: Was Whistleblower und Unternehmen wissen müssen

Ein neues Gesetz soll Beschäftigte, die Korruption, Betrug oder andere Missstände im beruflichen Kontext aufdecken, vor Benachteiligung oder gar Entlassung schützen. Am 2. Juli 2023 trat das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) in Deutschland in Kraft. Wir erklären, wie es Hinweisgeber*innen schützen soll und was Unternehmen beachten müssen.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Wichtigste im Überblick

Worum geht es beim Whistleblower-Gesetz?

Kern des Hinweisgeberschutzsystems gemäß § 36 Absatz 1 HinSchG ist das Verbot, hinweisgebende Personen Repressalien auszusetzen oder ihnen Benachteiligungen, beispielsweise die Kündigung, auch nur anzudrohen.

Sollte der Verdacht einer solchen Benachteiligung in Verbindung mit Hinweisen auf Missstände im Unternehmen bestehen, sind Arbeitgeber in der Pflicht: Sie müssen den Nachweis erbringen, dass die Repressalien in keinem Zusammenhang zur Meldung des Hinweisgebers oder der Hinweisgeberin stehen.

Wer muss interne Meldestellen einrichten und welche Fristen gelten?

Das Gesetz gilt für Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden sowie für Behörden. Viele große Unternehmen sind der Verabschiedung des Gesetzes zuvorgekommen und haben bereits Meldestellen eingerichtet. In Firmen mit 250 oder mehr Beschäftigten sind derartige Meldestellen seit 2. Juli 2023 ebenfalls Pflicht. Große Unternehmen sollten daher jetzt prüfen, ob ihre internen Systeme den Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetzes entsprechen.

Kleinere Firmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden bekommen einen Aufschub und haben Zeit, die internen Anlaufstellen bis 17. Dezember 2023 einzuführen. Insbesondere Unternehmen mit einem Betriebsrat sollten sich rechtzeitig mit dem System auseinandersetzen. Denn der Betriebsrat hat bei der Einführung ein Mitbestimmungsrecht.

Um welche Verstöße oder Missstände geht es konkret?

Das Hinweisgeberschutzgesetz soll Whistleblower vor Repressalien im beruflichen Umfeld schützen. Es gilt deshalb für Informationen zu Fehlverhalten im beruflichen Kontext, nicht für Hinweise auf private Vergehen.

Laut § 2 HinSchG können Whistleblower unter anderem folgende Missstände melden:

  • Straftaten
  • Ordnungswidrigkeiten, die den Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder den Schutz der Rechte von Beschäftigten oder deren Vertretungen betreffen
  • Sonstige Rechtsverstöße im beruflichen Kontext gegen Vorschriften von Bund, Ländern oder EU, unter anderem zur Bekämpfung von Geldwäsche, zur Produktsicherheit, zum Umweltschutz, Steuerrecht oder Datenschutz

Was ist bei der Bearbeitung von Hinweisen zu beachten?

Unternehmen müssen intern für klare Vorgaben sorgen, wie mit Meldungen von Hinweisgeber*innen zu verfahren ist. Sie müssen ihren Beschäftigten sowie Leihmitarbeiter*innen verschiedene Meldekanäle anbieten und Hinweise mündlich oder schriftlich sowie auf Wunsch persönlich annehmen.

Aufgaben und Maßnahmen der internen Meldestelle

Welche Aufgaben die Meldestelle konkret hat, geht aus § 17 des Hinweisschutzgesetzes (HinSchG) hervor:

  • Die Meldestelle muss den Erhalt eines Hinweises innerhalb von 7 Tagen bestätigen.
  • Die Beschäftigten der Meldestelle müssen den Hinweis auf Stichhaltigkeit prüfen und beurteilen, ob der Verstoß nach § 2 HinSchG auch tatsächlich meldefähig ist.
  • Eine wichtige Aufgabe der Meldestelle besteht darin, Kontakt mit der hinweisgebenden Person zu halten und von ihr, wenn nötig, weitere Informationen einzuholen.
  • Whistleblower müssen innerhalb von 3 Monaten darüber informiert werden, was das Unternehmen oder die Behörde im jeweiligen Fall unternommen hat und aus welchem Grund.
  • Die Meldestelle darf dem Whistleblower nur dann eine Rückmeldung geben, wenn interne Nachforschungen und Ermittlungen nicht beeinträchtigt werden, oder die Rechte der Personen, die Gegenstand der Meldung sind.

Mögliche Maßnahmen wären eine Compliance-Untersuchung oder die Weiterleitung an eine zuständige Behörde, etwa eine Strafverfolgungsbehörde. Kommt die Meldestelle aus Mangel an Beweisen oder anderen Gründen mit den Nachforschungen nicht weiter, darf sie das Verfahren auch einstellen.

Die Identität des Hinweisgebenden und die der gemeldeten Person(en) muss vertraulich behandelt werden und DSGVO-Vorgaben sind einzuhalten. Das gilt auch für die aller anderen Personen, die in der Meldung erwähnt werden. Eine externe Telefonnummer oder ein IT-gestütztes Hinweisgebersystem wären zwei Lösungen, auf die auch Angestellte der IT-Abteilung eines Unternehmens keinen Zugriff und somit auch keine Einsicht in laufende Verfahren haben.

Anonyme Hinweise sollen die Meldestellen ebenfalls bearbeiten, allerdings müssen Unternehmen oder Behörden keinen anonymisierten Meldekanal zur Abgabe einrichten. Bei anonymen Meldungen kann natürlich keine Eingangsbestätigung erfolgen.

Arbeitgeber müssen Verdacht ausräumen

Um Whistleblower vor negativen Folgen ihrer Meldung zu schützen, gilt die Beweislastumkehr. Besteht beispielsweise der Verdacht, dass Hinweisgebende bei einer Beförderung, Versetzung oder Vertragsverlängerung nicht berücksichtigt wurden, muss der Arbeitgeber beweisen, dass die Benachteiligung in keinerlei Verbindung mit dem Hinweis steht. Ansonsten drohen dem Unternehmen Bußgelder von bis zu 50.000 Euro. Bußgelder bis zu einer Höhe von 20.000 Euro können fällig werden, wenn eine Firma es versäumt, eine interne Meldestelle aufzubauen. Hier gilt allerdings eine Übergangsfrist von 6 Monaten nach Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes.

Wie muss das interne Hinweisgeberschutzsystems aufgebaut sein?

Eine interne Meldestelle kann aus einzelnen Beschäftigten bestehen oder eine ganze Abteilung bilden. Die beauftragten Personen können neben ihrer Tätigkeit für die Meldestelle auch anderen Aufgaben nachgehen, die jedoch nicht zu Interessenskonflikten führen dürfen.

Gut zu wissen

Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig, also nicht weisungsgebunden.

Die Personen müssen laut § 15 HinSchG über die notwendige Fachkunde verfügen. Das bedeutet in erster Linie: Sie müssen das Hinweisgeberschutzgesetz und dessen Vorgaben kennen. Juristische Kenntnisse sind sicherlich vorteilhaft, aber nicht vorgeschrieben.

Mehrere kleine und mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können eine gemeinsame Anlaufstelle einrichten und betreiben. Unternehmen dürfen die Aufgabe auch auslagern und an Dritte übertragen, beispielsweise an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder eine Anwaltskanzlei. Maßnahmen gegen einen Verstoß müssen die Unternehmen jedoch selbst einleiten und auch die Rückmeldung an Hinweisgebende muss vom Arbeitgeber selbst kommen.

Können Whistleblower Verstöße nur intern melden?

Zusätzlich zu den internen Hinweisgebersystemen in Unternehmen und Behörden wurde beim Bundesamt für Justiz eine externe Meldestelle geschaffen. Hinweisgeber*innen haben die Wahl, ob sie Missstände, beispielsweise Fälle von Korruption oder Verstöße gegen das Mindestlohngesetz, intern oder extern melden. Haben Whistleblower keine Repressalien im Unternehmen zu befürchten, beispielsweise eine Kündigung, rät das Bundesamt für Justiz zur firmeninternen Meldung von Verstößen. Sie seien häufig der schnellste Weg, um Missstände zu untersuchen und abzustellen. Gelingt das auf diesem Weg nicht, bleibt hinweisgebenden Personen immer noch die externe Meldung.

Die Meldestelle des Bundesamts für Justiz hat den Auftrag, Verstöße an die zuständigen Behörden weiterzuleiten, die sie untersuchen und verfolgen. Die Bundesländer können eigene externe Meldestellen einrichten für Hinweise, die die jeweilige Landesverwaltung oder Kommunalverwaltungen betreffen.

Auch das Bundeskartellamt hat am 2. Juli 2023 die Funktion einer externen Meldestelle für Hinweise bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht oder die Aufdeckung von Kartellen übernommen. Für Verstöße im Finanzsektor, also bei Banken, Finanzdienstleistern, privaten Versicherungsunternehmen, Kapitalverwaltungsgesellschaften, oder dem Wertpapierhandel ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig.

Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz

Ausgrenzung, Belästigung oder Benachteiligung am Arbeitsplatz erleben nicht nur Whistleblower. Diskriminierung findet im beruflichen Umfeld auch aus Gründen des Alters, Geschlechts, Glaubens, Herkunft, aufgrund einer Behinderung oder der sexuellen Orientierung von Beschäftigten statt. Wenn Sie solche Erfahrungen machen, können Sie sich auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. Auch Mobbing sollten Sie nicht einfach hinnehmen.

Verfahren gegen Deutschland wegen Fristversäumnis

Die zugrundeliegende EU-Richtlinie 2019/1937 hätte bereits bis zum 17. Dezember 2021 in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden müssen, doch in Deutschland scheiterte der Gesetzentwurf bereits in der vergangenen Legislaturperiode. Die EU-Kommission leitete deshalb im Februar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und weitere EU-Staaten ein, die ebenfalls die Frist hatten verstreichen lassen.

Gestritten wurde unter anderem über die Möglichkeit, anonyme Hinweise zuzulassen. Im Vermittlungsausschuss wurde die Pflicht, anonymisierte Meldekanäle einzurichten, schließlich gestrichen und Bußgelder für Verstöße in Höhe von maximal 50.000 Euro statt der ursprünglich geplanten Geldbuße von 100.000 Euro festgesetzt.


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