Mobbing am Arbeitsplatz: Was kann ich tun?
Sie werden kontinuierlich aus Meetings ausgeladen, relevante E-Mails werden Ihnen nicht zugestellt und Kollegen tuscheln hinter Ihrem Rücken? Mobbing am Arbeitsplatz kann die unterschiedlichsten Formen annehmen – in diesem Ratgeber erfahren Sie, wann es sich um Mobbing handelt und was Sie dagegen tun können.
Mobbing: Das Wichtigste in Kürze
- Grundsätzlich versteht man unter Mobbing die dauerhafte und zielgerichtete Ausgrenzung und Belästigung von einzelnen Angestellten.
- Das Gesetz sieht allerdings keine klare Definition für Mobbing vor, weshalb die Gerichte regelmäßig im Einzelfall entscheiden müssen, ob es sich schlichtweg um ein raues Betriebsklima handelt oder ob tatsächlich Mobbing vorliegt.
- Mobbing an sich ist nicht strafbar; die damit verbundenen Tatbestände wie Verleumdung, Tätlichkeiten oder Diskriminierung allerdings schon.
- Man unterscheidet umgangssprachlich zwischen zwei Formen von Mobbing: Geht es von einem oder mehreren Kollegen aus, spricht man von Staffing; tritt der Arbeitsgeber selbst als Mobber auf, handelt es sich um das sogenannte Bossing.
- Ihr Arbeitgeber unterliegt der Fürsorgepflicht: Sind Ihre Interessen oder Ihre Gesundheit gefährdet, muss er handeln. Zeigen Sie ihm also einen Mobbing-Fall an, muss er diesem nachgehen und darf nicht einfach abwinken.
Was ist Mobbing?
Die Grenze zwischen häufigen Auseinandersetzungen und wirklich zielgerichtetem Mobbing ist fließend. Gerade deshalb bringen nur wenige Opfer die Angelegenheit überhaupt auf den Tisch: Sie gehen davon aus, dass sich an der Situation sowieso nichts ändern wird und dass eine offene Aussprache alles vielleicht nur noch schlimmer macht. Besonders gravierend können die Folgen von Mobbing dann sein, wenn es sich um das sogenannte Bossing handelt: Gehen die Schikanen immer wieder vom Arbeitgeber oder Vorgesetzten aus, sehen die meisten Angestellten schnell schwarz und reichen lieber selbst die Kündigung ein.
Beispiele für typisches Mobbingverhalten
Mobbing ist ein Sammelbegriff für die unterschiedlichsten Arten der Belästigung. Hier sind einige Beispiele:
- Verbreiten von Gerüchten
- Systematischer Ausschluss von Meetings oder wichtigen Prozessabläufen
- Regelmäßige Übertragung unliebsamer Aufgaben (ohne ersichtlichen Grund)
- Grundlose Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz als Schikane
- Wiederholte Beleidigungen
- Tätlichkeiten
- Sexuelle Belästigung
- Diskriminierung aufgrund Ihrer ethnischen Herkunft, Ihres Geschlechts, Ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder Ihrer sexuellen Identität
Gerade wenn das Mobbing vom Arbeitgeber ausgeht, ist das Ziel häufig die Kündigung. Stehen Angestellte unter Kündigungsschutz, können Sie nur aus einem triftigen Grund entlassen werden. Einige Chef*innen machen ihren Angestellten deshalb das Leben schwer und hoffen, den Arbeitnehmer durch dauerhafte Schikanen selbst zur Kündigung zu bewegen.
Gut zu wissen
Das Gericht der Europäischen Union entschied im Juli 2018, dass Beleidigungen und Drohungen nicht als stressbedingter, rauer Umgangston zu entschuldigen sind. Kommt es über einen längeren Zeitraum immer wieder zu derartigen Äußerungen gegen Kollegen und Beschäftigte, liegt klar Mobbing vor (T-275/17).
Was kann ich gegen Mobbing am Arbeitsplatz unternehmen?
Als erster Tipp empfiehlt es sich, das Mobbing detailliert zu dokumentieren. Immerhin wird Ihr Ansprechpartner – sei es Ihr Chef, der Betriebsrat oder der Personalrat – Sie darum bitten, das Verhalten zu beschreiben und möglichst auch zu beweisen. Sollte es schließlich soweit kommen, dass Sie eine Klage einreichen, gilt auch hier: Die Beweislast liegt bei Ihnen.
Führen Sie aus diesem Grund ein sogenanntes Mobbingtagebuch und halten Sie genau fest, wann, von wem und in welcher Art Sie gemobbt wurden. Es empfiehlt sich außerdem Beweise zu sammeln. Verschieben Sie beleidigende E-Mails also nicht direkt in den Papierkorb, sondern heben Sie diese auf. Auch Fotos – beispielsweise von Ihrem verwüsteten Schreibtisch – oder Zeugen können dabei helfen, Ihren Standpunkt zu verdeutlichen.
Sprechen Sie das Thema Mobbing offen an!
Wenn Sie Opfer von Mobbing geworden sind, sollten Sie das Thema unbedingt offen ansprechen, statt einfach zu resignieren. Wenden Sie sich daher an eine Bezugsperson, beispielsweise Ihren Abteilungsleiter, Chef, den Personalrat oder den Betriebsrat.
Die Sache muss dann geprüft werden. Unternimmt Ihr Chef nichts und gefährdet er dadurch Ihre Gesundheit, verstößt er gegen die sogenannte Fürsorgepflicht von Arbeitgebern. Diese müssen stets so handeln, dass die Interessen ihrer Arbeitnehmer respektiert werden und ihre Gesundheit und Sicherheit gewährleistet ist.
Bewahrheitet sich der Mobbing-Vorwurf, hat Ihr Arbeitgeber mehrere Möglichkeiten. Sogar eine Kündigung kann Ihrem Mobber ausgesprochen werden, allerdings gilt hier das Ultima-Ratio-Prinzip. Dies bedeutet, dass die Kündigung tatsächlich das letzte Mittel darstellen muss. Zunächst muss der Arbeitgeber daher prüfen, ob es anderweitige Möglichkeiten gibt, der Situation Herr zu werden. Dabei kann es sich beispielsweise um die Umsetzung in eine andere Abteilung oder Filiale oder die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz handeln. Zusätzlich kann Ihr Arbeitgeber Ihrem Mobber eine Abmahnung aussprechen.
Gut zu wissen
Grundsätzlich dürfen Sie die Arbeit verweigern, wenn Ihr Chef gegen seine Fürsorgepflicht verstößt und Sie Ihre eigene Gesundheit dadurch gefährdet sehen. Hier ist allerdings äußerste Vorsicht geboten: Geht der Fall vor Gericht und wird entschieden, dass Sie die Arbeit zu Unrecht verweigert haben, müssen Sie nicht nur mit einer Abmahnung, sondern sogar mit einer Kündigung rechnen.
Schadenersatz bei Mobbing
Verstößt Ihr Arbeitgeber gegen seine Fürsorgepflicht – beispielsweise weil er selbst als Mobber auftritt oder weil er Ihr Anliegen konstant ignoriert – können sich daraus Schadenersatzansprüche für Sie ergeben. So können Sie die finanzielle Kompensation für Arzt- oder Bewerbungskosten verlangen, die Ihnen aufgrund des Mobbings entstanden sind. Auch die Einforderung der Differenz aus Ihrem Brutto-Gehalt und dem Krankengeld ist unter Umständen möglich.
Hier gilt allerdings, dass Sie diese Ansprüche nicht eigenmächtig durchsetzen sollten. Wie bereits erwähnt: Mobbing ist vielseitig und deshalb müssen Gericht immer im Einzelfall prüfen, welcher Sachverhalt vorliegt und welche Ansprüche sich daraus ergeben.
Gut zu wissen
In einem Urteil vom 08. Oktober 2020 verurteilte das Verwaltunsgericht Halle (Saale) den Dientsherren einer Beamtin zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 23.000 Euro. Das Gericht begründete dies damit, dass die Klägerin durch das Mobbing eine Persönlichkeitsverletzung sowie eine Gesundheitsschädigung erlitten habe, die durch die Schmerzensgeldzahlung auszugleichen seien. (AZ. 5 A 519/16 HAL)
Mobbing am Arbeitsplatz: Ist eine Krankschreibung erlaubt?
Wenn durch das Mobbing gesundheitliche Einschränkungen verursacht werden - z.B. psychische Erkrankungen - können Sie sich natürlich krankschreiben lassen und sollten diese Möglichkeit auch nutzen, wenn Sie das Gefühl haben, es sonst nicht mehr auszuhalten.
Bedenken Sie aber auch, dass eine Krankschreibung unter Umständen notwendig, aber letztlich natürlich auch nur eine temporäre Lösung ist. Sofern möglich sollten Sie auch bei einer Krankschreibung die weiteren Schritte, beispielswiese ein Gespräch mit dem Chef oder dem Betriebsrat, nicht außer Acht lassen.
Sonderfall: Mobbing durch Diskriminierung
Mobbing kann viele Gründe haben und bei den meisten hält sich das Gesetz eher bedeckt. Arbeitnehmer müssen Ihre Rechte dabei anhand unterschiedlichster Rechtsgrundlagen ableiten, was mitunter schwierig ist. Geht es hingegen um Diskriminierung, können Sie sich im Falle von Mobbing am Arbeitsplatz auf die Regelungen aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen.
Mobbing durch Diskriminierung liegt dann vor, wenn Ihnen Nachteile aufgrund Ihrer ethnischen Herkunft, Ihres Geschlechts, Ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, Ihres Alters oder Ihrer sexuellen Identität entstehen.
Tipp: Sind Sie nicht von einer Benachteiligung durch Diskriminierung betroffen, leiden aber unter generellem Mobbing am Arbeitsplatz, lohnt es sich dennoch die relevanten Inhalte des AGG zu kennen: Zwar unterscheiden sich die Rechtsgrundlagen, doch sind die Ansprüche – Arbeitsverweigerungsrecht, Schadenersatz etc. – oft gleich.
Beschwerderecht
Gemäß § 13 Abs. 1 AGG haben Sie das Recht, sich bei der zuständigen Stelle zu beschweren. Ihre Beschwerde muss daraufhin geprüft werden und Sie müssen außerdem über das Ergebnis der Untersuchungen informiert werden.
Anspruch auf die Durchführung geeigneter Maßnahmen
Ihr Arbeitgeber oder die dafür zuständige Stelle muss prüfen, ob es geeignete Maßnahmen gibt, die eine weitere Diskriminierung vermeiden (§ 12 Abs. 3 AGG). Dabei kann es sich beispielsweise um die Abmahnung, Versetzung, Umsetzung oder Kündigung handeln.
Zurückbehaltungsrecht: Arbeit verweigern
Zu Ihrem eigenen Schutz dürfen Sie gemäß § 14 AGG die Arbeit verweigern, wenn Ihr Arbeitgeber nichts gegen das Mobbing unternimmt. Man spricht hier vom sogenannten Zurückbehaltungsrecht. Dieser Anspruch ergibt sich beispielsweise dann, wenn es aufgrund der oben genannten Kriterien immer wieder zu Handgreiflichkeiten Ihnen gegenüber kommt und Ihr Arbeitgeber darüber informiert wurde. Ihr Anspruch auf Bezahlung besteht in einem solchen Fall weiter.
Vorsicht: Wurde die Arbeit zu Unrecht verweigert, kann Ihr Arbeitgeber Ihnen eine Abmahnung aussprechen oder Ihnen kündigen.
Schadenersatz
Ist Ihnen aufgrund der Diskriminierung ein Schaden entstanden, haben Sie gemäß § 15 AGG einen Anspruch auf Schadenersatz. Wollen Sie diesen geltend machen, sind strenge Fristen einzuhalten:
- Die schriftliche Schadenersatzforderung muss innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnisnahme der Benachteiligung erfolgen (§ 15 Abs. 4 AGG).
- Haben Sie diesen Anspruch schriftlich geltend gemacht und wurde darauf nicht reagiert, können Sie Klage wegen Benachteiligung einreichen. Diese muss innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Schadenersatzforderung erhoben werden (§ 61b Arbeitsgerichtsgesetz).
Hinweisgeberschutzgesetz soll Whistleblower vor Repressalien bewahren
Nicht nur in Fällen von Mobbing oder Diskriminierung aus Gründen des Alters, Geschlechts oder der Herkunft, wird es für Beschäftigte im beruflichen Umfeld unangenehm. Benachteiligungen können auch Whistleblower erfahren, die Verstöße in Unternehmen oder Behörden aufdecken. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll seit 2. Juli 2023 vor Benachteiligung oder gar Entlassung schützen.
FAQ: Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Mobbing am Arbeitsplatz
-
Wie ist Mobbing am Arbeitsplatz definiert?
Der Begriff Mobbing beinhaltet verschiedene Verhaltensweisen. Eine allumfassende Definition für Mobbing gibt es allerdings nicht. Das Bundesarbeitsgericht hat Mobbing am Arbeitsplatz definiert als das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte (BAG, Urteil v. 15.1.1997, 7 ABR 14/96). Auch der Bundesgerichtshof (BGH) setzt systematische und fortgesetzte Beleidigungen, Schikanen oder Diskriminierungen voraus.
-
Darf man als Mobbingopfer die Arbeit verweigern?
Der Arbeitnehmer kann die Arbeit verweigern, wenn der Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten schuldhaft verletzt. In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer ein sogenanntes „Zurückbehaltungsrecht“ zu (§ 273 BGB, § 14 AGG).
Der Arbeitgeber verletzt seine Fürsorgepflicht immer dann, wenn er selbst Mobbinghandlungen begeht. Die Fürsorgepflicht wird aber auch dann verletzt, wenn der Arbeitgeber gegen das Mobbing nicht einschreitet oder keine geeigneten Maßnahmen ergreift.
Hinweis: Im Streitfall müssen Sie beweisen, dass Sie am Arbeitsplatz gemobbt werden. Andernfalls kann der Arbeitgeber Sie wegen Arbeitsverweigerung abmahnen bzw Ihnen deshalb sogar kündigen.
-
Kann man sich wegen Mobbing krankschreiben lassen?
Wenn Sie aufgrund des Mobbings gesundheitliche Einschränkungen erleiden, können Sie sich selbstverständlich krankschreiben lassen und sollten dies auch tun.
Sofern möglich sollten Sie auch bei einer Krankschreibung weitere Schritte, beispielswiese ein Gespräch mit dem Chef oder dem Betriebsrat, nicht außer Acht lassen.