Arbeitszeugnis: Verstehen, was wirklich gesagt wird

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Das Arbeitszeugnis: Verstehen Sie, was gesagt wird

1. Die Formulierungen im Arbeitszeugnis

„Der Mitarbeiter erledigte seine Pflichten insgesamt zu unserer Zufriedenheit.“ Klingt erst einmal gut, oder? Ist es aber leider nicht. Hinter den oft positiv formulierten Floskeln im Arbeitszeugnis verbergen sich häufig negative Bewertungen. Lesen Sie hier, was Ihnen Ihr Arbeitgeber wirklich sagt. Grob lässt sich nämlich sagen, dass sich scheidende Mitarbeiter in ihrem Arbeitszeugnis in vier unterschiedlichen Kategorien bewerten lassen.

Zuerst bewertet der Arbeitgeber die allgemeine Qualität der erledigten Aufgaben, mit denen der Mitarbeiter in der Zeit seines Arbeitsverhältnisses betraut war. Diese Formulierungen lassen sich am ehesten mit Schulnoten vergleichen. So wie es in der Schule Einserschüler und Sechserschreiber gab, so gibt es schließlich auch in der Berufswelt kompetente und weniger kompetente Mitarbeiter.

Das menschliche Verhalten des Angestellten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und etwaigen Kunden findet im Arbeitszeugnis ebenfalls Erwähnung. Auch hier lassen sich die Formulierungen wieder in Schulnoten untergliedern, mit dem Unterschied, dass das Arbeitszeugnis charakterliche Sechserschreiber nicht vorsieht und die Noten sich somit nur im Rahmen 1 – 5 bewegen.

2. Häufige Missverständnisse

Abgesehen von der Bewertung nach Noten gibt es auch Formulierungen, die die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers detaillierter bewerten. Damit Sie nicht auf die vermeintliche Lobhudelei hereinfallen und ihr Arbeitszeugnis realistisch einschätzen können, erläutern wir Ihnen die häufigsten missverstandenen Formulierungen. Auch im Hinblick darauf, dass sie ein besser verstandenes Zeugnis natürlich auch besser anfechten können.

Zunächst sollten Sie wissen, welche Note Ihr Arbeitgeber für Ihre Leistungen und Ihr Verhalten im Arbeitszeugnis vermerkt hat.

2.1 Noten im Leistungsbereich

Formulierung im ZeugnisBedeutung der Bewertung
Stets/immer/durchgehend zu unserer vollsten ZufriedenheitSehr gute Leistung
Stets/immer/durchgehend zu unserer vollen ZufriedenheitGute Leistung
Zu unserer vollen Zufriedenheit/stets zu unserer ZufriedenheitBefriedigende/durchschnittliche Leistung
Zu unserer ZufriedenheitUnterdurchschnittliche, aber noch ausreichende Leistung
Insgesamt/im Großen und Ganzen zu unserer ZufriedenheitMangelhafte Leistung
Bemüht, die übertragenen Arbeiten zu unserer Zufriedenheit zu erledigenUngenügende Leistung

2.2 Noten im Verhalten

Formulierung im ZeugnisBedeutung der Bewertung
Stets vorbildlichsehr gut
Vorbildlich gut
Stets einwandfrei/korrektbefriedigend
Ohne Tadel/Gab keinen Anlass zu Beanstandungenausreichend
Im Wesentlichen/insgesamt zufriedenstellend/im Großen und Ganzen einwandfreimangelhaft


So können Sie also mit einer Formulierung wie „er/sie hat die ihm/ihr gestellte Aufgabe zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und verhielt sich stets vorbildlich“ sehr zufrieden sein. Wohingegen sie bei einem Satz wie „er/sie hat die ihm/ihr gestellte Aufgabe insgesamt zu unserer Zufriedenheit erledigt und sein/ihr Verhalten gab keinen Anlass zu Beanstandungen“ prüfen sollten, ob diese Bewertung angemessen ist.

Um Leistung und Verhalten gegebenenfalls genauer zu beschreiben, benutzen Arbeitgeber häufig auch folgende vermeintlich positiven Formulierungen, die aber bei näherer Betrachtung oftmals eher negativ zu verstehen sind.

2.3 Bewertungen im Leistungsbereich

Formulierung im ZeugnisBedeutung der Bewertung
Alle Aufgaben wurden ordnungsgemäß erledigt.Der Arbeitnehmer ist ein Bürokrat. Eigeninitiative ist nicht seine Stärke.
Wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein großes Vorbild.Seine Leistungen liegen unter dem Durchschnitt. Er war in jeder Hinsicht eine Niete.
Es war vorgesehen, ihn in den Nachwuchskader zu übernehmen.Er hat sich nicht bewährt, und wir haben das lieber gelassen.

2.4 Bewertungen des Verhaltens

Formulierung im ZeugnisBeduetung der Formulierung
Er war tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen.Er ist ein unangenehmer Mitarbeiter.
Er galt im Kollegenkreis als toleranter Mitarbeiter.Für Vorgesetzte war er ein schwerer Brocken.
Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.Er neigt zu übertriebenem Alkoholkonsum.
Er bewies für die Belange der Belegschaft stets Einfühlungsvermögen.Er suchte Sexualkontakte im Betrieb.
Er trat engagiert für die Interessen der Kollegen auf.Er war als Betriebsrat tätig.
Seine Auffassung wusste er intensiv zu vertreten.Der Mitarbeiter war vorlaut.
Sein Verhalten gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten war stets einwandfrei.Aufgrund der Nennung der Kollegen vor den Vorgesetzten wird deutlich, dass der Arbeitnehmer zu diesen ein besseres Verhältnis als zu seinen Vorgesetzten hatte.

3. Ich bin mit meinem Arbeitszeugnis unzufrieden: Was kann ich tun?

Es liegt in der Natur der Sache, dass Arbeitgeber und Angestellte über die Qualität der erbrachten Leistungen oder über die Wirkung des Verhaltens des Mitarbeiters unterschiedlicher Meinung sind.

Bewertet der Arbeitgeber bestimmte Tätigkeitsfelder oder Charakterzüge eines Mitarbeiters im Arbeitszeugnis gar nicht erst, kann das auch als fehlende Kompetenz verstanden werden. So ist zum Beispiel die unerwähnte Belastbarkeit oder Reisebereitschaft eines Redakteurs ein Zeichen dafür, dass der Mitarbeiter für die von ihm besetzte Stelle nicht besonders gut geeignet war. Allerdings haben Arbeitnehmer in diesem Fall einen Anspruch, dass Arbeitszeugnis abändern zu lassen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht 2008 im Falle eines Redakteurs (Az. 9 AZR 632/07).

Auch müssen Sie generell nicht alle Formulierungen, mit denen Sie unzufrieden sind, hinnehmen. Immerhin ist das Arbeitszeugnis bei einer Bewerbung auf einen neuen Job kein unwesentlicher Bestandteil für den potenziellen neuen Arbeitgeber, zu beurteilen, ob Sie für den neuen Job geeignet sind.

Es empfiehlt sich in jedem Fall, das Gespräch mit dem Arbeitgeber zu suchen. Zum einen deshalb, weil sich so persönliche Differenzen beilegen lassen. Zum anderen, weil auch Arbeitgeber der „Geheimsprache“ im Arbeitszeugnis nicht von Natur aus mächtig sind und so vielleicht Missverständnisse entstanden sind, die sich mit einem kurzen Gespräch ausräumen lassen.

Bringt ein Gespräch aber keine Einigung, bleibt noch der Gang vor das Arbeitsgericht. Dieses Verfahren bringt aber häufig Unannehmlichkeiten für alle Beteiligten mit sich, unabhängig vom Ausgang. So müssen eventuell ehemalige Kollegen, die noch bei Ihrem alten Arbeitgeber beschäftigt sind, gegen diesen Aussagen. Sie sollten sich diesen Schritt also gut überlegen.

Wie bei den meisten juristischen Problemen gilt auch hier: Der Einzelfall entscheidet das Vorgehen. Wie gut Ihre persönlichen Chancen stehen, in einem Gespräch oder vor Gericht etwas zu erreichen, können Ihnen die selbstständigen Kooperationsanwälte der DAHAG schnell und individuell am Telefon erklären.


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