Kein Arbeitszeugnis erhalten: Was steht mir zu und wie gehe ich vor?

Das Arbeitszeugnis stellt einen der häufigsten Streitpunkte nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses dar. Ein Zeugnis begleitet Sie ein Leben lang, deshalb lohnt es sich auch, eine Ergänzung beziehungsweise Berichtigung eines negativen oder unvollständigen Zeugnisses zu beanspruchen.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Arbeitszeugnis: Das Wichtigste im Überblick

Wann und wie lange habe ich Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?

Als Arbeitnehmer haben Sie selbst bei nur kurzfristiger Tätigkeit (zum Beispiel auch bei Praktika) Anspruch auf ein einfaches Arbeitszeugnis, wenn sie aus dem Unternehmen austreten. Die Länge Ihrer Beschäftigung spielt dabei keine Rolle. Das entschied 2001 das Landesarbeitsgericht (Aktenzeichen: 4 Sa 1485/00).

Beachten Sie, dass der Anspruch auf das Arbeitszeugnis auch verjähren kann. Gemäß § 195 BGB geschieht dies grundsätzlich nach 3 Jahren. Fristbeginn der Verjährung ist das Ende des laufenden Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Unabhängig von der Verjährung erlischt Ihr Zeugnisanspruch auch dann, wenn es dem oder der Zuständigen nicht mehr möglich ist, das Zeugnis auszustellen.

Ausschlussfristen beachten!

In einigen Arbeits- oder Tarifverträgen können auch kürzere Fristen festgelegt sein; man spricht von sogenannten Ausschlussfristen. Diese lauten beispielsweise wie folgt: "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb von 6 Wochen nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden." Prüfen Sie also am besten Ihren individuellen Vertrag, um die Frist nicht zu versäumen! Andernfalls kann der Arbeitgeber Ihnen zu Recht ein Zeugnis verweigern.

Welche Arten von Arbeitszeugnissen gibt es?

Das einfache Arbeitszeugnis

Das einfache Zeugnis enthält keine Angaben über Führung und Leistung des Arbeitnehmers, es bestätigt nur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie die exakte Berufsbezeichnung. Es gleicht damit einer neutralen Tätigkeitsbeschreibung und ist für Bewerbungen weniger geeignet. In der Regel ist das einfache Arbeitszeugnis ungefähr eine halbe DIN-A4-Seite lang und erfüllt lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen. Alle Angaben müssen nach der Rechtsprechung in ihren Aussagen wahr und wohlwollend formuliert werden und dürfen keine versteckten Symbole enthalten.

Das qualifizierte Arbeitszeugnis

Um ein qualifiziertes Zeugnis handelt es sich, wenn neben den Angaben über Art und Dauer der Tätigkeit noch Angaben über Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis enthalten sind. Der Arbeitnehmer kann das Zeugnis vom Zeitpunkt der Kündigung an verlangen. Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers besteht nicht. Das qualifizierte Zeugnis hat folgende Bestandteile zu enthalten:

  • ausführliche Beschreibung der Tätigkeit
  • eine Leistungsbewertung
  • Angaben über erworbene Zusatzqualifikationen
  • Angaben über das Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und evtl. Kunden
  • Art und Umstände des Ausscheidens
  • Ort und Datum der Ausstellung, Unterschrift eines befugten Vorgesetzten.

Auch das qualifizierte Arbeitszeugnis muss vollständig, wahr, klar und wohlwollend sein. Eine besondere Formvorschrift für das qualifizierte Zeugnis besteht jedoch nicht, es müssen lediglich die im Geschäftsleben üblichen Mindestanforderungen (zum Beispiel ein ordnungsgemäßer Briefkopf) erfüllen, wie das Bundesarbeitsgericht bereits 1993 klarstellte (Aktenzeichen: 5 AZR 182/92).

Kein Anspruch auf Dankesformel

Üblicherweise findet sich am Ende eines jeden Arbeitszeugnisses eine sogenannte Schlussformel, mit der sich der Arbeitgeber bei dem ausscheidenden Arbeitnehmer für die erbrachte Leistung bedankt beziehungsweise sein Bedauern über den Weggang ausdrückt. Fehlt eine solche Formel, wird dies häufig als Negativsignal verstanden. Im Jahr 2022 stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass für Arbeitnehmer kein rechtlicher Anspruch darauf besteht (BAG, Urteil vom 25.01.2022, Az. 9 AZR 146/21). Arbeitgeber sind demnach nicht verpflichtet, das Zeugnis mit einer Dankes- oder Höflichkeitsformel enden zu lassen.

Formulierungen im Arbeitszeugnis: Was bedeuten sie?

Bei vielen Arbeitnehmern herrscht bei Erhalt eines qualifizierten Zeugnisses Unsicherheit über die genaue Bedeutung der einzelnen Formulierungen. Eine auf den ersten Blick gute Formulierung kann im Zusammenhang gesehen eine schlechte Bewertung ausdrücken. Dies kann erreicht werden durch verschiedene Formulierungstechniken:

  • Negationstechnik: Gab ein Verhalten "keinen Anlass zu Beanstandungen", dann war nichts Lobenswertes dabei.
  • Leerstellentechnik: „Das Verhalten gegenüber Kollegen war einwandfrei". Hier werden die Vorgesetzten weggelassen, was impliziert, dass das Verhalten gegenüber den Vorgesetzten gerade nicht einwandfrei war. 
  • Widerspruchstechnik: Zwar kann die Leistung sehr gut bewertet worden sein, doch wenn Dankessprüche beziehungsweise Wünsche für die Zukunft darin fehlen, wirkt das Zeugnis im Ganzen nicht sehr glaubhaft.
  • Passivtechnik: „Es wurde ihm erklärt.“ Solche Passivformulierungen können als Indiz für die Unselbstständigkeit des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin ausgelegt werden.
  • Betonungstechnik: Statt den eigentlichen Leistungen wird vor allem Selbstverständliches (zum Beispiel Zuverlässigkeit) oder Nebensächliches betont beziehungsweise in der Reihenfolge vorangestellt.

Noten im Arbeitszeugnis

Welche Formulierungen der Arbeitgeber aber konkret verwendet und welches Beurteilungsverfahren er heranzieht steht ihm frei. Es muss nur seine Leistungsbeurteilung eindeutig erkennen lassen, entschied das Bundesarbeitsgericht. Nach Schulnoten aufgeschlüsselt, kann man beliebte Formulierungen in der Regel folgendermaßen bewerten:

  • Sehr gut: „Stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“
  • Gut: „Zu unserer vollsten Zufriedenheit“
  • Befriedigend: „Zu unserer vollen Zufriedenheit“
  • Ausreichend: „Zu unserer Zufriedenheit“
  • Mangelhaft: „Im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit“
  • Ungenügend: „Er/Sie hat sich bemüht, […]“

Arbeitszeugnis anfordern: Muster & Tipps

Wenn Ihnen Ihr Arbeitgeber nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht automatisch ein Zeugnis ausstellt, sollten Sie in jedem Fall auf ihn zugehen und dieses anfordern. Ob Sie sich für ein einfaches oder ein qualifiziertes Arbeitszeugnis entscheiden, liegt ganz bei Ihnen. Wichtig: Wenden Sie sich an Ihren Arbeitgeber immer schriftlich, wenn Sie um ein Arbeitszeugnis bitten und setzen Sie ihm gegebenenfalls eine Frist von 2 Wochen. Verzichten Sie dabei unbedingt auf unnötige und abschweifende Details. Bringen Sie Ihre Bitte in klarer, nüchterner Sprache auf den Punkt!

Es empfiehlt sich übrigens, gleich im Kündigungsschreiben um die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses zu bitten. Sollten Sie inzwischen nicht mehr angestellt sein, können Sie Ihr Zeugnis nachträglich noch per Brief anfordern. Beachten Sie in diesem Fall aber die Fristen!

 

Falls Sie sich beim Aufsetzen des Anschreibens unsicher sind, können Sie dieses gängige Muster nutzen:

Sehr geehrte*r Frau/Herr [Vorgesetzte*r],

hiermit kündige ich das seit dem [Datum] bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß zum [Datum]. Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt der Kündigung schriftlich. Ich bitte Sie um die Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses.

Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit und verbleibe mit freundlichen Grüßen.

[Name]

[Unterschrift]

Gut zu wissen: Zwischenzeugnis

Sie können für Bewerbungszwecke auch jederzeit ein Zwischenzeugnis anfordern. Jedoch sollten Sie nicht unbedingt anklingen lassen, dass Sie einen Jobwechsel in Betracht ziehen! Überlegen Sie sich stattdessen einen triftigen Grund und geben Sie ein Interesse an, das nicht zu verdächtig wirkt (zum Beispiel: „Weil ich bald in Elternzeit gehen werde“).

Wie lange muss ich auf mein Arbeitszeugnis warten?

Üblich ist eine Frist von 2 bis 3 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Beachten Sie, dass der Arbeitgeber das Recht hat, diese Frist auch auszureizen. Sie sollten also nicht darauf spekulieren (weil Sie beispielsweise schon Bewerbungsgespräche führen), dass Sie das Arbeitszeugnis schon innerhalb weniger Tage nach Ihrem Austritt erhalten. Das Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein entschied 2009 (Az.: 1 Ca 370/08) in einem entsprechenden Fall.

Darum ging es in dem Urteil: Ein Arbeitnehmer trennte sich am 31.08. von seinem alten Arbeitgeber und bewarb sich bereits kurz darauf bei einem neuen. Das Vorstellungsgespräch fand nur eine Woche später, am 06.09. statt. Der neue Vorgesetzte wollte im Gespräch unbedingt das Arbeitszeugnis sehen, doch der Bewerber hatte dies trotz nachdrücklicher Aufforderungen noch nicht von seinem Ex-Arbeitgeber erhalten. Als der Arbeitnehmer die Stelle nicht bekam, forderte er Schadensersatz. Das Landesarbeitsgericht entschied allerdings, dass das Endzeugnis erst 2 bis 3 Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgestellt werden muss. Außerdem hätte der Arbeitnehmer zuerst eine Mahnung an seinen Ex-Arbeitgeber aussprechen müssen, ehe überhaupt Schadenersatzansprüche entstehen können.

Was kann ich tun, wenn der Arbeitgeber das Arbeitszeugnis verweigert?

Länger als 2 bis 3 Wochen sollten Sie allerdings nicht warten müssen. Hat Ihnen Ihr Arbeitgeber nach Ablauf der von Ihnen gesetzten Frist noch immer kein Arbeitszeugnis ausgestellt, sollten Sie eine letzte schriftliche Mahnung inklusive Frist verschicken. Weisen Sie ihn darauf hin, dass Sie das Zeugnis notfalls vor Gericht einfordern werden. Erwähnen Sie außerdem, dass er Ihre letzte Frist missachtet hat und dass Sie ihn – soweit zutreffend – schon mehrmals vergeblich um das Arbeitszeugnis gebeten haben. Wenn Ihnen dann tatsächlich ein schlechtes oder gar unvollständiges Zeugnis ausgestellt wird, haben Sie die Möglichkeit, gerichtlich eine Korrektur zu erwirken.

 


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