Versorgungsausgleich: Ablauf, Berechnung und Beratung vom Anwalt
Die Ehe ist weitaus mehr als der romantische Zusammenschluss zweier Menschen. Sie geht mit zahlreichen Rechten und Pflichten einher und unterliegt einer Vielzahl an Regelungen. Vor allem wenn ein Partner für einen längeren Zeitraum zuhause bleibt oder nur halbtags arbeitet, um die Kinder zu betreuen, ergibt sich ein finanzielles Ungleichgewicht. Auch die erworbenen Rentenansprüche unterscheiden sich dann signifikant voneinander. Diese Benachteiligung im Alter soll durch den sogenannten Versorgungsausgleich umgangen werden.
- Was ist der Versorgungsausgleich?
- Welche Versicherungen und Vorsorgearten sind relevant?
- Ablauf des Versorgungsausgleichs bei Scheidung
- Interne vs. externe Teilung beim Versorgungsausgleich
- Ausnahmen: Wann kein Versorgungsausgleich erfolgt
- Verzicht oder Individuelle Regelung zum Versorgungsausgleich
- Versorgungsausgleich bei Scheidung im Ausland
Versorgungsausgleich bei Scheidung: Das Wichtigste in Kürze
- Beim Versorgungsausgleich werden die während der Ehe erworbenen Rentenansprüche im Verhältnis 50:50 aufgeteilt.
- Es erfolgt keine direkte Auszahlung. Stattdessen erhält der wirtschaftlich schwächere Partner später eine höhere Rente.
- Der Versorgungsausgleich muss nicht beantragt werden, sondern wird vom zuständigen Familiengericht automatisch durchgeführt.
- Sie können sich mit Ihrem Partner darauf einigen, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten oder individuelle Regelungen aufzustellen. Dies ist per Ehevertrag oder per Vereinbarung sogar noch während des Scheidungsprozesses möglich.
Was ist der Versorgungsausgleich?
Nur in den wenigsten Fällen verdienen beide Ehepartner gleich viel Geld und erwerben somit gleiche oder sehr ähnliche Rentenansprüche. Vor allem wenn Kinder im Spiel sind, bleibt meist ein Partner für eine bestimmte Zeit zuhause oder arbeitet in Teilzeit weiter. Während dieser Zeit werden weniger Entgeltpunkte erworben, was einen Einfluss auf die spätere Rentenhöhe hat. Da eine derartige Aufteilung jedoch eine gemeinschaftliche Entscheidung ist, soll sie nicht mit finanziellen Nachteilen einhergehen. Das Gesetz sieht daher den sogenannten Versorgungsausgleich vor, der im Falle einer Scheidung zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts beitragen soll.
Beim Versorgungsausgleich werden die Rentenansprüche, die während der Ehe erworben wurden, zu gleichen Anteilen zwischen den beiden Eheleuten aufgeteilt. Wer mehr Ansprüche erworben hat, erhält später eine höhere Rente. Um dies auszugleichen, erhält der wirtschaftlich schwächer gestellte Partner, der während der Ehe weniger Rentenansprüche erworben hat, anteilig Ansprüche.
Wichtig: Es werden nur die Rentenansprüche aufgeteilt, die während der Ehe erworben wurden. Als Stichtage zählen dabei der Beginn des Monats der Eheschließung und das Ende des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. Auch Ansprüche, die Sie während des Trennungsjahres erwerben, werden noch aufgeteilt. Eine Ausnahme kann nur dann vorliegen, wenn die Trennung sich über einen ungewöhnlich langen Zeitraum erstreckt und es Ihnen oder Ihrem Partner entsprechend nicht zuzumuten ist, auch hierfür noch zu zahlen.
Gut zu wissen: Ein Versorgungsausgleich ist nicht nur für Ehen, sondern auch für alle eingetragenen Lebenspartnerschaften vorgesehen, die nach dem 1. Januar 2005 geschlossen wurden.
Welche Versicherungen und Vorsorgearten sind relevant?
Nicht jede Art der Vorsorge fällt unter den Vorsorgeausgleich. Als Faustregel gilt: Sieht das Versicherungsprodukt im Regelfall die Auszahlung einer regelmäßigen Rente vor, greift der Versorgungsausgleich. Ist hingegen die Einmalauszahlung vorgesehen, fällt das Ganze unter den Zugewinnausgleich. Die Ansprüche werden also nicht automatisch aufgeteilt.
Unter den Versorgungsausgleich fallen:
- Gesetzliche Rentenversicherung
- Private Rentenversicherung
- Anwartschaften von berufsständischen Versorgungswerken
- Betriebliche Altersvorsorge (bAV)
- Zusatzversorgung öffentlicher Dienst
- Beamtenversorgung
- Riester-Rente
- Rürup-Rente
- Erwerbsunfähigkeitsrente
- Ansprüche als Berufssoldat
Unter den Versorgungsausgleich fallen nicht:
- Kapitallebensversicherung
- Risikolebensversicherung
- Renten, die nicht von Alter oder Erwerbsfähigkeit abhängig sind (z. B. Opferrente, private Unfallversicherung)
Ablauf des Versorgungsausgleichs bei Scheidung
Wenn Sie und Ihr Partner beschließen, sich scheiden zu lassen, führt das zuständige Familiengericht den Versorgungsausgleich automatisch durch. Sie müssen also keinen expliziten Antrag stellen.
1. Schritt: Fragebogen für Eheleute
Hierzu wendet das Familiengericht sich zunächst an Sie und Ihren Noch-Partner und schickt Ihnen beiden einen Fragebogen zu. Darin müssen Sie angeben, welche Rentenversicherung beziehungsweise private Altersvorsorge besteht, wie hoch Ihre Anwartschaft ist und welche Versicherungsnummer Ihnen zugewiesen wurde. Zusätzlich dazu müssen Sie angeben, ob eine individuelle und vom Standard abweichende Vereinbarung zwischen Ihnen und Ihrem Partner vorliegt.
Tipp: Wenn Ihnen die nötigen Informationen nicht vorliegen, sollten Sie sich an Ihren Versicherungsträger wenden und eine Kontenklärung beantragen.
2. Schritt: Auskünfte der Versicherungsträger
Haben Sie und Ihr Noch-Partner Ihre Fragebögen abgegeben, wendet das Familiengericht sich im Anschluss an die zuständigen Versicherungsträger und holt dort weitere Auskünfte ein. Das Familiengericht vergleicht und überprüft dann Ihre Angaben.
3. Schritt: Eheleute prüfen Unterlagen
Im letzten Schritt erhalten Sie und Ihr Partner die gesammelten Unterlagen zur finalen Prüfung. Kontrollieren Sie, ob alles korrekt ist und ob wirklich jede relevante Versicherung aufgeführt wurde.
Gut zu wissen: Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam. Wenn sich der ganze Prozess über mehr als drei Monate hinzieht, kann das Gericht auch entscheiden, zunächst die Scheidung durchzuführen und den Versorgungsausgleich später nachzuholen.
Interne vs. externe Teilung beim Versorgungsausgleich
Nachdem die Aufteilung der Rentenanwartschaften bestimmt wurde, muss noch festgelegt werden, ob die Aufteilung intern oder extern erfolgt. Gemeint ist damit, ob die Ansprüche bei demselben Versicherungsträger bleiben und lediglich auf den anderen Partner umgeschrieben werden oder ob sie zu einem anderen Versicherungsträger übertragen werden.
Beispiel: Sie zahlen in die gesetzliche Rentenversicherung ein und Ihr Partner in die private. Wenn Ihr Partner Ihnen infolge des Versorgungsausgleichs Ansprüche abtreten muss, muss entschieden werden, ob Sie Anwartschaften bei seiner privaten Versicherung erwerben oder ob diese mit in Ihre gesetzliche einfließen.
In aller Regel erfolgt ein interner Versorgungsausgleich: Im obigen Beispiel würde das bedeuten, dass Sie zusätzlich zu den Ansprüchen aus Ihrer gesetzlichen Rentenversicherung auch Ansprüche aus der privaten erwerben würden.
Ein externer Ausgleich, bei dem Ansprüche an einen anderen Versicherungsträger übertragen werden, ist seltener. Sollte dies gewünscht sein – etwa weil Sie alle Rentenzahlungen aus einer Hand erhalten möchten –müssen Sie sich mit den beiden Versicherungsträgern in Verbindung setzen und die Übertragung beantragen.
Gut zu wissen: Kommen wir noch einmal zum obigen Beispiel zurück. Wenn Sie bisher nur Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben und nun auch Ansprüche aus der privaten erhalten, muss dort ein neues Konto für Sie eröffnet werden. Dies ist in der Regel mit Kosten verbunden. Etwaige Gebühren werden zwischen Ihnen und Ihrem Noch-Partner aufgeteilt. Meist werden Sie direkt mit den Anwartschaften verrechnet.
Ausnahmen: Wann kein Versorgungsausgleich erfolgt
Liegt keine anderweitige Regelung zwischen den Eheleuten vor, führt das zuständige Familiengericht den Versorgungsausgleich automatisch durch. Allerdings gibt es ein paar wenige Ausnahmen, in denen der Versorgungsausgleich wegfällt:
- Ehedauer von weniger als 3 Jahren: Bei sogenannten Kurzehen, die weniger als 3 Jahre dauern, erfolgt der Versorgungsausgleich nicht automatisch. Allerdings können Sie oder Ihr Partner ihn dennoch beantragen, wenn Sie sich den Ausgleich wünschen.
- Bagatellgrenze / sehr geringe Anwartschaften: Wenn Sie und Ihr Partner nur sehr geringe Anwartschaften erworben haben, erfolgt kein Versorgungsausgleich. Die Bagatellgrenze liegt bei einem Rentenanspruch von etwa 50 Euro pro Monat. Der Ausgleich entfällt in der Regel auch dann, wenn die Verwaltungskosten klar über dem Wert der Rentenanwartschaften liegt.
- Individuelle Regelung / Verzicht: Sie und Ihr Partner können sich auf eine individuelle Regelung einigen oder beschließen, vollständig auf den Versorgungsausgleich zu verzichten.
Wichtig ist jedoch, dass diese Ausnahmen nicht verbindlich sind. Das Familiengericht schaut sich jeden Fall einzeln an und kann selbst bei sehr geringen Rentenansprüchen entscheiden, diese aufzuteilen. Selbst wenn Sie und Ihr Noch-Partner sich auf einen Verzicht einigen, wird dieser vom Familiengericht geprüft. Stellt das Gericht fest, dass einer der Partner dabei deutlich benachteiligt werden würde, erfolgt der Versorgungsausgleich trotz anderweitiger Vereinbarung.
Verzicht oder Individuelle Regelung zum Versorgungsausgleich
Sie können sich jederzeit mit Ihrem Partner darauf einigen, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten oder die Rentenanwartschaften nicht wie vom Gesetz vorgesehen 50/50 aufzuteilen. Derartige Regelungen können Sie im Ehevertrag festhalten oder später gesondert beschließen.
Wichtig ist hierbei jedoch, dass alternative Vereinbarungen gemäß § 7 Versorgungsausgleichsgesetz notariell beurkundet werden müssen.
Ist die Scheidung schon in vollem Gange, können Sie sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs auf den Verzicht einigen. Hierzu müssen jedoch beide Parteien ihre Anwälte mitbringen. So soll gewährleistet werden, dass Sie und Ihr Partner sich der Folgen dieser Entscheidung bewusst sind und nicht leichtfertig handeln.
Im Anschluss prüft das Gericht noch einmal, ob die alternative Regelung oder der Verzicht fair ist oder nicht. Verdient ein Ehepartner sehr gut und hat der andere aufgrund von familiären Verpflichtungen kaum bis gar keine Rentenanwartschaften erworben, kann das zuständige Familiengericht sein Veto einlegen.
Versorgungsausgleich bei Scheidung im Ausland
Wenn Sie in Deutschland geheiratet haben und mittlerweile im Ausland leben, kann es sein, dass auch die Scheidung im Ausland vollzogen wird. Viele Länder sehen keinen Versorgungsausgleich vor, weshalb der wirtschaftlich schwächere Partner hier deutlich benachteiligt würde.
Wenn Sie oder Ihr Partner die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder zum Zeitpunkt der Eheschließung besessen haben, können Sie deutsche Familiengerichte mit einem nachträglichen Versorgungsausgleich beauftragen. Dieser läuft jedoch nicht automatisch ab: Stattdessen müssen Sie sich an das Familiengericht wenden, das für Sie zuständig ist. Haben Sie einen Wohnsitz in Deutschland ist es das hierfür zuständige Familiengericht. Leben Sie im Ausland, müssen Sie sich mit dem Amtsgericht Schöneberg in Kontakt setzen.