Streik ist kein außergewöhnlicher Umstand
Geklagt hatte ein Reisender aus Skandinavien, dessen Flug von Malmö nach Stockholm im April 2019 aufgrund eines Pilotenstreiks annulliert wurde. Die Airline SAS berief sich wie gewohnt auf außergewöhnliche Umstände und verweigerte die Zahlung der Entschädigung. Der Reisende bestand jedoch auf die 250 Euro, die ihm gemäß der Europäischen Fluggastrechteverordnung bei Flugausfällen zustehen. Das zuständige schwedische Gericht bat den EuGH schließlich um Hilfe bei der Auslegung der Frage: Gilt ein Streik wirklich als außergewöhnlicher Umstand?
Das EuGH verneinte die Frage. Ein Streik gilt vor allem dann nicht als außergewöhnlicher Umstand, wenn sich die Streikenden an das geltende Recht hielten. In diesem Fall sei ein Arbeitskampf um bessere Arbeitszeiten oder höhere Gehälter als „Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Unternehmens“ anzusehen. Die skandinavische Airline muss dem Reisenden entsprechend eine Entschädigung zahlen.
Da der Arbeitskampf über mehrere Tage angehalten hat und insgesamt rund 4.000 Flüge und 400.000 Reisende betroffen waren, könnten infolge des Urteils Entschädigungsforderungen von bis zu 120 Millionen Euro auf die Fluggesellschaft zukommen.
Das „Aber“: Streik ist nicht gleich Streik
Reisende sollten sich aber nicht zu früh freuen: Der EuGH gab zu bedenken, dass Streik nicht gleich Streik sei. Die Airline könne sich nur dann nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen, wenn der Streik Teil der normalen Betriebstätigkeit und somit grundsätzlich beherrschbar sei. Streiken beispielsweise Fluglotsen, die nicht direkt bei der Airline angestellt sind, so kann durchaus ein „außerordentlicher Umstand“ vorliegen. Die Airline hat die Arbeitsniederlegung dann nicht zu verantworten und kann sie entsprechend auch nicht unter Kontrolle bringen.
Eine Einzelfallbetrachtung bleibt also weiterhin unumgänglich.