Arbeitsunfall: Was gilt es zu beachten?

Sie haben einen Arbeits- bzw Wegeunfall erlitten? Hier erfahren Sie, auf welche Leistungen Sie jetzt Anspruch haben und warum der Arbeitsunfall von der gesetzlichen Unfallversicherung als solcher anerkannt werden muss. Außerdem geben wir Ihnen hier Tipps für Ihr weiteres Vorgehen an die Hand. 

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Arbeitsunfall: Das Wichtigste im Überblick

Bei welchen Unfällen greift der Versicherungsschutz?

Arbeitsunfälle sind gesetzlich definiert als „zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen“ und die infolge einer versicherten Tätigkeit passieren (§ 8 Absatz 1 SGB VII). Versichert sind aber nicht nur Unfälle, die direkt am Arbeitsplatz passieren, sondern auch Wegeunfälle, definiert als „das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit“ (§ 8 Absatz 2 SGB VII) und außerdem die „Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels“ wie beispielsweise einer Brille (§ 8 Absatz 3 SGB VII). Weiter haben auch Schüler im Unterricht, Kinder im Kindergarten oder in einer Kita sowie Personen, die ein Ehrenamt ausüben, einen nahen Angehörigen im eigenen Haus pflegen oder nach einem Verkehrsunfall Hilfe leisten, Anspruch auf Versicherungsleistungen im Falle eines während der ausgeübten Tätigkeiten erfolgten Unfalls.

Was zählt als Arbeitsunfall und was nicht?

Als Arbeitsunfall zählen beispielsweise ein Bandscheibenvorfall eines Bauarbeiters durch zu schweres Heben auf der Baustelle, eine Verbrennung aufgrund eines Stromschlags beim Umgang mit elektrischen Geräten am Arbeitsplatz oder ein Sturz auf dem Weg in die Arbeit.

Es liegt jedoch kein Arbeitsunfall vor, wenn Verletzungen oder Gesundheitsschäden ohne Einwirkung von außen zufällig während der versicherten Tätigkeit auftreten, z.B. ein Schlaganfall oder Herzinfarkt im Büro.

Sucht ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit einen Arzt auf und hat danach auf dem Rückweg zu seinem Arbeitsplatz einen Verkehrsunfall, fällt dies unter den persönlichen Lebensbereich und gilt somit nicht als Arbeits- oder Wegeunfall. Das entschied das Sozialgericht Dortmund in einem Urteil vom 28.02.2018 (Az.: S 36 U 131/17).

Gut zu wissen: Arbeitsunfall im Homeoffice

In der Vergangenheit wurden Unfälle im Homeoffice eher selten als Arbeitsunfälle eingestuft. Die Corona-Pandemie hat diesbezüglich jedoch für ein Umdenken gesorgt, weshalb sowohl die Gesetzgebung als auch die Rechtsprechung zunehmend arbeitnehmerfreundlich ausfallen.

So entschied etwa das Bundessozialgericht (BSG) Ende 2021, dass ein Arbeitnehmer, der auf dem Weg vom Bett an den heimischen Schreibtisch auf der Treppe stürzt, in den Genuss der gesetzlichen Unfallversicherung kommt (Az. B 2 U 4/21 R).

Auch wenn Sie Ihre Kinder vom Homeoffice aus in die Kita bringen, gilt dieser Weg seit Sommer 2021 als Arbeitsweg. Sie sind dann ebenso unfallversichert als wenn Sie Ihre Kinder auf dem Weg ins Büro in der Kita abgeben würden.

Wie gehe ich nach einem Arbeitsunfall richtig vor?

Beachten Sie am besten folgende Schritte:

  1. Legen Sie die Tätigkeit, die zum Unfall geführt hat, sofort nieder und warten Sie gegebenenfalls auf ärztliche Hilfe oder eine medizinische Untersuchung.
  2. Sobald erste Hilfe geleistet wurde, sollte eine ausführliche Untersuchung des Unfalls und die Dokumentation des Unfallhergangs durch Sie, Ihren Arbeitgeber, Führungskräfte und gegebenenfalls Zeugen und Personal- oder Betriebsrat erfolgen. Unbedingt erforderlich sind die Aufnahme von Beweisen und die Befragung der Personen, die Auskünfte zum Unfallgeschehen geben können. Dies dient dazu, den Unfall nachher rekonstruieren zu können und um nachzuweisen, dass er tatsächlich mit Ihrer Tätigkeit zusammenhängt: So haben Sie aussagekräftiges Beweismaterial, falls die Unfallversicherung Ihren Arbeitsunfall nicht als einen solchen anerkennt.
  3. Außerdem sollten Sie einen Durchgangsarzt hinzuziehen. Dieser ist auf Unfallchirurgie spezialisiert und außerdem speziell für Arbeitsunfälle zugelassen und hat deshalb eine hohe Glaubwürdigkeit inne. Er kann Ihre Verletzungen dokumentieren und mithilfe der Aufzeichnungen den Zusammenhang mit dem Unfall nachweisen.
  4. Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitsunfall bei der zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden, wenn Sie infolgedessen länger als drei Kalendertage krankgeschrieben sind. Das gilt auch dann, wenn Ihre Verletzungen noch so unbedeutend scheinen mögen, denn es kann zu Spätfolgen kommen, die erst nach einiger Zeit auftreten. Zeigen sich beispielsweise einige Wochen nach Ihrem Unfall erste Gesundheitsschäden und Ihr Arbeitgeber hat die Berufsgenossenschaft nicht über den Vorfall informiert, kann es sein, dass diese keine Zahlungen leistet. Erkundigen Sie sich am besten bei Ihrem Arbeitgeber, ob er die Berufsgenossenschaft bereits unterrichtet hat, und erinnern Sie Ihn an seine Meldepflicht.

Wer entscheidet, ob mein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt wird?

Über die Anerkennung eines Arbeitsunfalles entscheiden die gesetzlichen Unfallträger, also je nach Zuständigkeit die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft oder Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand.

Nach Eingang der Meldung Ihres Arbeitgebers und unter Analyse des Beweismaterials prüft der Unfallversicherungsträger, ob Ihre Verletzung durch den Unfall verursacht wurde und ob alle Bedingungen für die Anerkennung erfüllt sind. Gegebenenfalls stellt er Nachforschungen an, holt weitere ärztliche Gutachten ein oder kontaktiert Personen, die weitere Auskünfte über den Unfallhergang geben können.

Kommt der Versicherungsträger zu dem Schluss, dass Ihr Unfall nicht als Arbeitsunfall gilt, können Sie innerhalb eines Monats schriftlichen Widerspruch einlegen. Wird auch dieser abgelehnt, haben Sie die Möglichkeit, Klage vor dem Sozialgericht einzulegen.

 

Welche Leistungen stehen mir zu, wenn mein Arbeitsunfall als solcher anerkannt wurde?

Wenn Sie einen Arbeitsunfall erlitten haben, stehen Ihnen im Grunde dieselben Leistungen wie bei einer Berufserkrankung zu. Auch der Leistungsträger ist identisch: Endet die Lohnfortzahlung des Arbeitsgebers, springt die gesetzliche Unfallversicherung ein.

Lohnfortzahlung

Wie bei anderen Erkrankungen haben Sie auch im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst Anspruch auf Entgeltfortzahlung, das heißt, Ihr Arbeitgeber zahlt Ihnen die ersten sechs Wochen Ihrer Arbeitsunfähigkeit weiterhin vollen Lohn.

Verletztengeld

Endet Ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung nach sechs Wochen, Ihre Arbeitsunfähigkeit dauert aber an, erhalten Sie als gesetzlich Unfallversicherter in der Regel von der Krankenkasse Verletztengeld (80% des Bruttogehalts, maximale Höhe des Nettogehalts, abzüglich der Beiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung). Verletztengeld wird gezahlt, sobald die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wurde (der Anspruch ruht allerdings während der Lohnfortzahlung) oder mit Beginn von Heilbehandlungen, die Ihnen nicht ermöglichen, weiterhin ganztägig zu arbeiten. Die Zahlung endet, wenn Sie wieder arbeitsfähig sind, die Heilbehandlung abgeschlossen ist oder sobald ein Anspruch auf Übergangsgeld besteht (nämlich ab Beginn einer medizinischen oder beruflichen Rehabilitation). Wenn Ihre Arbeitskraft nicht schon früher wiederhergestellt werden konnte, endet der Anspruch auf Verletztengeld nach spätestens 78 Wochen der Zahlung (jedoch nicht vor Ende der stationären Behandlung) – oder eher, wenn festgestellt wird, dass Sie auch durch Reha-Maßnahmen voraussichtlich nicht wieder arbeitsfähig sein werden. In diesem Fall steht Ihnen eventuell eine Verletztenrente zu.

Leistungen zur Rehabilitation

Rentenleistungen sind allerdings nur der letzte Ausweg. Besteht die Chance, Ihre Arbeitsfähigkeit durch Rehabilitationsmaßnahmen zu verbessern oder wiederherzustellen, wird Ihnen zunächst eine solche Rehabilitation verordnet („Reha vor Rente“). Diese können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (wie Krankengymnastik) oder sozialen Rehabilitation (zum Beispiel ein einschränkungsgerechter Umbau Ihrer Wohnung) oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (zum Beispiel Umschulungen) umfassen. Ziel ist es, Sie trotz Ihrer Einschränkungen wieder ins Arbeitsleben einzugliedern.

Übergangsgeld

Haben Sie keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Verletztengeld, zahlt Ihnen die gesetzliche Unfallversicherung Übergangsgeld als unterstützende Leistung während der Dauer einer medizinischen oder beruflichen Rehabilitation (68-75 Prozent des letzten Nettogehalts). Übergangsgeld muss beim Rentenversicherungsträger beantragt werden und wird so lange gezahlt, bis Sie die erforderlichen Rehabilitationsmaßnahmen abgeschlossen haben.

Verletztenrente

Sind Sie länger als 26 Wochen lang aufgrund eines Arbeitsunfalls zu mindestens 20 Prozent erwerbsgemindert, steht Ihnen eine Verletztenrente zu. Diese wird von dem zuständigen Unfallversicherungsträger geleistet, sobald eine medizinische Rehabilitation endet, Ihr Anspruch auf Verletztengeld ausläuft oder, wenn Sie von vornherein keinen Anspruch auf Verletztengeld haben, nach Eintritt der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Sind Sie vollständig erwerbsunfähig (also zu 100 Prozent erwerbsgemindert), erhalten Sie eine Verletztenrente in Höhe von zwei Dritteln Ihres vormaligen Jahresarbeitsverdienstes (gedeckelt durch Mindest- und Höchstbeiträge).

Mussten Sie nur einen Teil Ihrer Arbeitsfähigkeit einbüßen, ist die Rentenhöhe abhängig von Ihrem Jahresarbeitsverdienst und vom Umfang Ihrer Erwerbsminderung. Letztere wird der Vollrente prozentual anteilig angerechnet.

Ist Ihre Erwerbsfähigkeit um mehr als 50 Prozent gemindert, gelten Sie als Schwerverletzter. In diesem Fall wird Ihre Verletztenrente um weitere 10 Prozent angehoben.

Nähere Informationen zur Berechnung von Verletztenrente finden Sie hier: Wie hoch fällt meine Verletztenrente aus?


Arbeits- und Wegeunfall: Häufig gestellte Fragen

  • Erlischt der Versicherungsschutz, wenn ich einen Umweg mache?

    Grundsätzlich greift der Versicherungsschutz für einen Wegeunfall, sobald Sie Ihr Haus verlassen und endet mit dem Betreten des Betriebsgeländes (oder andersherum).

    In § 8 Absatz 2 SGB VII zählt auch ein Unfall auf einem abweichenden Weg als versicherte Tätigkeit, wenn Ihre Kinder wegen Ihrer Tätigkeit „fremder Obhut“ anvertraut werden müssen, also wenn Sie sie in den Kindergarten oder eine andere Betreuungsstätte bringen. Dasselbe gilt, wenn Sie mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug benutzen, also durch eine Fahrgemeinschaft gezwungen sind, vom unmittelbaren Arbeitsweg abzuweichen, um Personen abzuholen oder abzusetzen. Außerdem bleiben Sie versichert, wenn Sie aufgrund von außergewöhnlichen Verkehrssituationen (zum Beispiel Stau) einen alternativen, längeren Weg nehmen.

    Wenn Sie unnötige Umwege nehmen oder aus privaten Gründen vom Weg abweichen (zum Beispiel, wenn Sie an einer Raststätte halten, um sich etwas zu Essen zu kaufen), gilt der Versicherungsschutz allerdings nicht.

  • Muss ich ein bestimmtes Verkehrsmittel nehmen, damit der Versicherungsschutz für den Wegeunfall greift?

    Nein, welches Verkehrsmittel Sie nehmen, schreibt das Gesetz nicht vor. Daher können Sie frei entscheiden, ob Sie den Weg zur Arbeit zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Auto, Bus oder Bahn zurücklegen – Ihr Versicherungsschutz bleibt bestehen.

  • Bekomme ich von der Versicherung auch Sachschäden erstattet?

    Als Gesundheitsschaden gilt laut § 8 Absatz 3 SGB VII auch „die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels“. Geht also im Zuge Ihrer versicherten Tätigkeit Ihre Brille oder Ihr Hörgerät kaputt, wird Ihnen der Schaden erstattet.

    Ist aber beispielsweise aufgrund eines Verkehrs-Wegeunfalls Ihr Auto beschädigt, erhalten Sie keine Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung. In solchen Fällen springt in der Regel die Haftpflicht- oder Kaskoversicherung ein.


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