Entgeltfortzahlungsgesetz: Wer Anspruch hat und worauf Sie achten müssen
Eine schwere Grippe, ein Todesfall in der Familie oder ein krankes und pflegebedürftiges Kind – Arbeitsverhinderung kündigt sich leider nur selten an. Und selbst, wenn der Termin im Voraus bekannt ist – wie zum Beispiel bei der eigenen Hochzeit – sind sich Arbeitnehmer oft unsicher, welche Rechte sie in so einem Fall haben. Hier erfahren Sie, wann das Entgeltfortzahlungsgesetz greift, in welchen Fällen Sie ein Recht auf bezahlte Freistellung haben und was Sie dabei beachten müssen.
Grundsätzlich erhalten Sie als Arbeitnehmer nur Lohn für Ihre erbrachte Arbeitsleistung, also für die von Ihnen tatsächlich geleistete Arbeit. An gesetzlichen Feiertagen, im Krankheitsfall oder bei Arbeitsverhinderung in Sonderfällen regelt allerdings das Entgeltfortzahlungsgesetz, was der Name schon verrät: das Recht auf Lohnfortzahlung trotz Arbeitsausfall.
In folgenden Fällen greift das Entgeltfortzahlungsgesetz:
Lohnfortzahlung bei gesetzlichen Feiertagen
Fällt die Arbeitszeit aufgrund von gesetzlichen Feiertagen aus, bekommen Sie als Arbeitnehmer den Lohn gezahlt, den Sie an den betreffenden Tagen normalerweise erhalten hätten.
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Wenn Sie arbeitsunfähig und krankgeschrieben sind, leistet Ihr Arbeitgeber bis zu sechs Wochen Lohnfortzahlung, das heißt, er zahlt Ihnen weiterhin das Gehalt, das Sie auch bei Arbeitsfähigkeit bekommen hätten. Das gilt aber nur, wenn Sie bereits seit mindestens vier Wochen ununterbrochen in dem Unternehmen arbeiten und die Krankheit nicht selbst verschuldet haben.
Selbst verschuldet – was bedeutet das? Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung erlischt nur dann, wenn Sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. Dies ist zum Beispiel bei Trunkenheit am Steuer oder bei nicht angelegtem Sicherheitsgurt der Fall. Soweit sich ein Verhalten des Arbeitnehmers lediglich als leichtsinnig darstellt, ist dies jedoch kein Grund für einen Ausschluss des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Dies entschied das Landesarbeitsgericht Köln im Fall einer Kellnerin, die entgegen der Anweisung des Arbeitgebers nicht rutschfeste bzw. leichte Stoffschuhe getragen und sich so bei einem Sturz schwer verletzt hat (LAG Köln vom 19.4.2013; 7 Sa 1204/13).
Nehmen Sie nach Ihrer Genesung Ihre Arbeit wieder auf, erkranken dann aber innerhalb von zwölf Monaten erneut an derselben Krankheit, werden beide Krankschreibungen für die Sechs-Wochen-Frist zusammengerechnet. Die Frist beginnt nur dann neu, wenn es sich um eine andere oder neue Erkrankung handelt oder zwischen den beiden Arbeitsausfällen ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten liegt.
Dauert eine Erkrankung länger als sechs Wochen, übernimmt für gesetzlich Versicherte die Krankenkasse und zahlt einen Lohnersatz in Form von Krankengeld.
Hier ein Beispiel: Der Büroangestellte Herr Schmidt ist im September 2017 für drei Wochen wegen eines Armbruchs krankgeschrieben. Im November 2017 treten Komplikationen auf und er wird erneut für vier Wochen krankgeschrieben, da der Bruch falsch geheilt ist und operiert werden muss. Da es sich um dieselbe Ausgangserkrankung (den Armbruch) handelt und beide Krankschreibungen innerhalb von zwölf Monaten erfolgten, werden die Zeiträume zu insgesamt sieben Wochen addiert. Während der ersten sechs Wochen erhält Herr Schmidt aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes von seinem Arbeitgeber weiterhin volles Gehalt, ab der siebten Woche zahlt ihm die Krankenkasse bis zu seiner Genesung Krankengeld.
Lohnfortzahlung bei Kur
Eine Kur ist eine ambulante oder stationäre Behandlung durch eine Einrichtung zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation. Sie dient der Vorbeugung von Erkrankungen und dem Erhalt der Arbeitskraft. Demnach gilt sie als Arbeitsverhinderung aus medizinischen Gründen und rechtfertigt den Anspruch auf bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung – vorausgesetzt, Ihr Aufenthalt ist medizinisch erforderlich und wurde von einem Sozialleistungsträger (beispielsweise der Krankenkasse) genehmigt.
Greift das Entgeltfortzahlungsgesetz auch bei Sonderurlaub?
Gesetzlich sind deutsche Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern bezahlten Sonderurlaub zu gewähren. Zwar ist es in den meisten Unternehmen üblich, ihren Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen Lohnfortzahlung bei Sonderurlaub zu leisten, das Gesetz drückt sich hier allerdings nicht eindeutig aus: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird.“ (§ 616 BGB). Bevor Sie Ihren Vorgesetzten um bezahlte Freistellung bitten, sollten Sie deshalb in Ihrem Arbeits- oder Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung nachlesen, ob darin ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung in bestimmten Fällen vorgesehen ist.
Sonderurlaub: Lohnfortzahlung bei Arbeitsverhinderung
Im Folgenden sind Fälle aufgeführt, in denen Sie eventuell Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, da diese die Voraussetzungen einer verhältnismäßig kurzen, unverschuldeten und in Ihren persönlichen Verhältnissen begründeten Arbeitsverhinderung grundsätzlich erfüllen.
In der Regel gehören dazu die eigene (standesamtliche) Hochzeit, die Heirat der Kinder, die Goldene Hochzeit der Eltern, die Entbindung der Ehefrau oder die Beerdigung eines Elternteils, Geschwisters oder Kindes.
Auch bei betrieblich veranlasstem Umzug haben Sie unter Umständen Anspruch auf Sonderurlaub, zum Beispiel, wenn Ihre Arbeitsstelle in eine andere Stadt verlegt wird.
Ist Ihr Kind erkrankt, sodass es von Ihnen gepflegt werden muss, können Sie von der Arbeit freigestellt werden. Dabei beinhaltet Ihr Anspruch auf Pflegetage allerdings nicht automatisch auch ein Anrecht auf Entgeltfortzahlung. Doch keine Sorge: Hat der Arbeitgeber eine solche Lohnfortzahlung ausgeschlossen, springt die gesetzliche Krankenkasse ein und zahlt Ihnen Kinderkrankengeld.
Ein öffentliches Ehrenamt kann ebenfalls zum Sonderurlaub berechtigen, doch Vorsicht: Viele Ehrenämter gelten als privat und dürfen deshalb nur in der Freizeit ausgeübt werden. In den verschiedenen Bundesländern gibt es unterschiedliche Regelungen, welches öffentliche Ehrenamt für wie lange eine Freistellung rechtfertigt. Beispielsweise regelt das Bayerische Feuerwehrgesetz, dass Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr für Einsätze, Ausbildungsveranstaltungen, Sicherheitswachen und Bereitschaftsdienste von der Arbeit befreit werden müssen.
Anspruch auf bezahlte Freistellung haben Sie in der Regel außerdem, wenn Sie amtliche Termine wahrnehmen müssen; zum Beispiel, wenn Sie als Zeuge vor Gericht geladen sind (nicht aber bei amtlichen Terminen aus privaten Gründen!). Auch bei Arztbesuchen besteht die Möglichkeit auf Sonderurlaub, wenn Sie keinen Termin außerhalb der Arbeitszeit bekommen – natürlich nur dann, wenn Ihr Besuch medizinisch notwendig ist und Sie nicht ohnehin schon krankgeschrieben sind.
Arbeitsverhinderungen aufgrund äußerer Umstände (wie etwa Unwetter, Schneechaos, Hochwasser, Unruhen, Streiks oder Verkehrsstörungen) fallen allerdings nicht unter das Entgeltfortzahlungsgesetz.