Betriebliches Eingliederungsmanagement: Definition, Vorteile und Tipps

Fallen Sie als Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit für längere Zeit aus, fällt der Wiedereinstieg in den Beruf oft schwer. Um Ihnen dies zu erleichtern, hat der Gesetzgeber in einem solchen Fall ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) vorgesehen. Hier erfahren Sie, welche Vorteile die Durchführung bringen kann, was Sie von einem BEM erwarten können und mit welchen Konsequenzen Sie rechnen müssen, wenn Sie die Eingliederungsmaßnahmen ablehnen.

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Betriebliches Eingliederungsmanagement: Das Wichtigste im Überblick

Definition: Betriebliches Eingliederungsmanagement

In § 167 Absatz 2 SGB IX ist das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) folgendermaßen definiert:

„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 176, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement).“

Das bedeutet: Sind Sie im Verlauf von 12 Monaten insgesamt länger als 6 Wochen krankgeschrieben, steht Ihnen ein betriebliches Eingliederungsmanagement zu. Mit Ihrer Zustimmung kann es Ihnen durch entsprechende Maßnahmen ermöglichen, die eigene Arbeitsfähigkeit nach krankheitsbedingten Fehlzeiten Schritt für Schritt wieder aufzubauen und weiteren Erkrankungen vorzubeugen. Grundsätzlich steht das BEM allen Arbeitnehmern zu – mit einer Ausnahme: Bei einer Krankschreibung während der Probezeit muss Ihnen Ihr Arbeitgeber kein betriebliches Eingliederungsmanagement vorschlagen.

Was sind die Vorteile eines betrieblichen Eingliederungsmanagements?

Sie als betroffener Arbeitnehmer kann das BEM vor krankheitsbedingter Arbeitslosigkeit schützen. Es hilft Ihnen dabei, Ihren Arbeitsplatz zu erhalten oder Ihnen durch Umschulungs- oder Weiterbildungsmaßnahmen neue Perspektiven in der Berufswelt zu eröffnen. Auch für Ihren Arbeitgeber birgt das BEM Vorteile, denn er spart auf lange Sicht Personalkosten, wenn Sie weniger häufig krankheitsbedingt fehlen.

Und letztendlich wirkt sich das positiv auf die Sozialleistungsträger (wie Krankenkasse und Rentenversicherung) aus: Ist die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten durch die verschiedenen Maßnahmen eines BEM gesichert, müssen sie ihnen weder Krankengeld noch Rente wegen Erwerbsminderung zahlen.

Welche Maßnahmen beinhaltet ein betriebliches Eingliederungsmanagement?

In § 167 Absatz 2 SGB IX ist von „Leistungen oder Hilfen“, mit welchen „erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann“ die Rede. Welche konkreten Leistungen und Hilfen das sind, gibt die Rechtsgrundlage allerdings nicht vor.

Aus gutem Grund: Der Arbeitgeber soll je nach Einzelfall erforderliche Maßnahmen einleiten, die jeweils individuell auf den Arbeitnehmer, seine Tätigkeit und seine Erkrankung abgestimmt sind. Entsprechende Leistungen können beispielsweise eine Rehabilitation, verminderte Arbeitszeiten zur stufenweisen Wiedereingliederung, der Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb eines Unternehmens und die dafür erforderliche Aus- und Weiterbildung sein.

Wie läuft das betriebliche Eingliederungsmanagement ab?

Der Ablauf eines BEM ist nicht gesetzlich geregelt oder genormt. Jedoch gibt es eine gängige Grundstruktur, die sinnvoll ist und auf den individuellen Einzelfall angepasst werden kann:

Wenn Sie nach langen Fehlzeiten wieder ins Arbeitsleben einsteigen möchten, sollte Ihr Arbeitgeber auf Sie zukommen und Ihnen ein BEM anbieten. Selbstverständlich können Sie als Arbeitnehmer auch selbst aktiv werden und Ihren Arbeitgeber auf ein BEM ansprechen. Unbedingt erforderlich ist ein Erstgespräch, in dem Ihr Arbeitgeber mit Ihnen die möglichen Maßnahmen, deren Ziel und das weitere Vorgehen bespricht. Außerdem ist er dazu verpflichtet, Sie über die Daten, die erhoben und verwendet werden, zu informieren, und kann Beginn und Dauer des BEM festlegen.

Überlegen Sie sich am besten schon vor dem Gespräch, was Sie sich von einem BEM erwarten:

  • Wirkt sich Ihr jetziger Arbeitsplatz negativ auf Ihre Gesundheit aus?
  • Wie könnte ihr Beruf die Verbesserung Ihres Gesundheitszustandes fördern?
  • Welche Maßnahmen zum Wiedereinstieg erachten Sie als sinnvoll?

Ziel des Gesprächs ist es, herauszufinden, wo die Ursachen Ihres (betriebsbedingten?) Leidens liegen und ob Ihr gesundheitlicher Zustand durch eine Anpassung Ihres Arbeitsplatzes verbessert werden kann. Als Ergebnis sollen geeignete Maßnahmen festgelegt werden, um den Erhalt Ihres Arbeitsplatzes zu sichern oder Ihren Wiedereinstieg ins Arbeitsleben zu erleichtern.

Für den weiteren Verlauf ist Ihre ausdrückliche Zustimmung zum BEM erforderlich, was eine spätere aktive Mitarbeit voraussetzt. Da die Teilnehme an einem BEM freiwillig ist, können Sie das Angebot Ihres Arbeitgebers selbstverständlich auch ablehnen. Doch Vorsicht: Im Falle einer Kündigungsschutzklage kann eine Verweigerung negative Konsequenzen für Sie haben.

Wann ist das betriebliche Eingliederungsmanagement abgeschlossen?

Ein betriebliches Eingliederungsmanagement gilt erst als abgeschlossen, wenn...

  • sich die Zahl der krankheitsbedingten Fehltage verringert hat und die 6-Wochen-Grenze dauerhaft nicht übersteigt.
  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer es als beendet ansehen.
  • das Beschäftigungsverhältniss aufgelöst wird.

Das Verfahren kann aber auch enden, wenn Sie dem BEM-Angebot nicht zustimmen oder nicht an den vereinbarten Maßnahmen mitwirken.

Wer ist bei einem BEM beteiligt?

Um Ihre Interessen zu wahren, sollte eine Arbeitnehmervertretung (Betriebs- oder Personalrat) sowie für schwerbehinderte Arbeitnehmer eine Schwerbehindertenvertretung am BEM beteiligt sein. Die Vertretungen sollen dafür sorgen, dass die erforderlichen Hilfen sofort beantragt und fristgerecht geleistet werden, und dass der Arbeitgeber die vereinbarten Leistungen auch einhält.

Auch die Beteiligung eines Werks- und Betriebsarzt kann durchaus sinnvoll sein. Im besten Fall kennt er den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers und kann betriebsbedingte Ursachen oder Gefahren am Arbeitsplatz besser abschätzen. Sind Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich, wird außerdem der zuständige Sozialleistungsträger (oder bei schwerbehinderten Menschen das Integrationsamt) in das BEM-Verfahren eingebunden.

Muss ich als Arbeitnehmer ein BEM-Angebot annehmen?

In § 167 Absatz 2 SGB IX heißt es deutlich, dass ein BEM nur „mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person“ durchgeführt werden kann. Sie müssen einem BEM-Angebot also ausdrücklich zustimmen und aktiv an den durchgeführten Maßnahmen mitwirken, damit diese auch erfolgreich sind.

Sie sind zwar nicht zu einer Zustimmung verpflichtet – das BEM-Angebot grundsätzlich abzulehnen ist allerdings nicht zu empfehlen. Denn ein BEM kann Ihnen vielfältige und individuell auf Ihre Person zugeschnittene Chancen bieten, um Ihre Arbeitsfähigkeit aufrechtzuhalten. Auch für Ihren Kündigungsschutz sollten Sie ein BEM-Angebot nicht leichtfertig ausschlagen.

Lehnen Sie das BEM nämlich ab, würde dies eine Kündigung wegen Krankheit erleichtern – denn der Arbeitgeber kann nachweisen, dass er seiner Pflicht eines BEM-Angebots nachgekommen ist und Sie derjenige waren, der die Eingliederungsmaßnahme verweigert hat. Damit er die Kündigung durchsetzen kann, muss er Ihnen gegenüber allerdings klar kommunizieren, dass bei der Ablehnung eines BEM die Möglichkeit einer krankheitsbedingten Kündigung besteht.

Ein Beispiel:Eine Arbeitnehmerin legte Kündigungsschutzklage ein, als ihr wegen erheblicher Fehlzeiten krankheitsbedingt gekündigt wurde. Die Arbeitnehmerin hatte zuvor das Angebot einer Verminderung der Arbeitszeit und einer medizinischen stationären Rehabilitation abgelehnt. Dennoch erklärte das Bundesarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam – mit der Begründung, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin auf die Gefahr einer Kündigung im Falle einer Ablehnung sowie auf eine dementsprechend gesetzte Frist hätte hinweisen müssen (Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen 2 AZR 400/08).

Mein Arbeitgeber bietet mir kein betriebliches Eingliederungsmanagement an: Was nun?

Ihr Arbeitgeber ist gesetzlich nicht dazu verpflichtet, Ihnen ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Jedoch kann ihm das Unterlassen eines solchen Angebots Schwierigkeiten im Falle eines Kündigungsschutzprozesses bereiten. Denn dann trägt er die verschärfte Beweislast, um eine krankheitsbedingte Kündigung geltend zu machen.

Das bedeutet, er muss belegen können, dass...

  • die Kündigung der letzte Ausweg ohne Alternativen ist.
  • dass Ihre Weiterbeschäftigung eine erhebliche wirtschaftliche und betriebliche Interessenseinschränkung darstellt (zum Beispiel eine unzumutbare finanzielle Belastung wegen Entgeltfortzahlung oder eine umfassende Neuorganisation während Ihrer langen Abwesenheit).
  • Ihr Arbeitsplatz auch im Falle eines BEMs nicht bestehen bleiben könnte.

Kann er das nicht nachweisen, gilt die Kündigung als nicht gerechtfertigt und unwirksam.

Gut zu wissen: Genesung auch ohne Eingliederungsmaßnahmen

Es kann allerdings auch sein, dass in Ihrem Fall gar kein betriebliches Eingliederungsmanagement erforderlich ist, obwohl Sie mehr als 6 Wochen im Jahr krankgeschrieben waren: Dies ist der Fall, wenn Ihre Genesung auch ohne Eingliederungsmaßnahmen gewiss und absehbar ist. Sind Sie beispielsweise wegen eines Armbruchs mehrere Wochen von Ihrem Bürojob krankgeschrieben, wird Ihre Arbeitsfähigkeit nach der Verheilung des Bruchs voraussichtlich auch ohne BEM wieder vollständig hergestellt sein.


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