Überzahlung vom Jobcenter: Muss ich Leistungen zurückzahlen?
Falls Sie eine Rückforderung vom Jobcenter erhalten, ist in der Regel etwas schief gelaufen: entweder bei der Berechnung der Leistungen im Jobcenter oder bei Ihren Angaben. Denn Sozialleistungen müssen Sie in der Regel nicht zurückzahlen, weder das bisherige Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, noch dessen Nachfolger, das Bürgergeld.
Das Wichtigste im Überblick:
- Das Jobcenter kann Leistungen zurückfordern, die es zu viel ausgezahlt hat.
- Prüfen Sie, ob die Rückforderung des Jobcenters gerechtfertigt ist.
- Gegen ungerechtfertigte Rückforderungen können Sie Widerspruch einlegen.
- Mit dem Bürgergeld wurde eine Bagatellgrenze von 50 Euro für Rückforderungen eingeführt.
Warum kann das Jobcenter Leistungen zurückfordern?
Überzahlungen des Jobcenters beim Bürgergeld können vorkommen, wenn Ihre ursprünglichen Angaben nicht korrekt waren oder sich an Ihrer Lebenssituation etwas geändert hat. Der Fehler kann jedoch auch beim Jobcenter liegen, wenn der zuständige Sacharbeiter oder die Sachbearbeiterin Ihren Anspruch zu hoch berechnet hat. In beiden Fällen haben Sie Leistungen erhalten, die Ihnen eigentlich nicht zugestanden hätten.
Falsche Angaben oder Veränderungen nicht mitgeteilt
Das Jobcenter fordert Leistungen unter anderem dann zurück, sobald auffällt, dass es zu einer Überzahlung kam und die Leistungsempfänger*innen Schuld daran tragen. Das ist gemäß § 45 Absatz 2 des zehnten Sozialgesetzbuchs (SGB X) der Fall, wenn
- ein Bescheid nur aufgrund arglistiger Täuschung, Drohung oder Bestechung bewilligt wurde
- der Antragsteller vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht hat
- dem oder der Leistungsempfänger*in bewusst war, dass der Antrag Fehler enthielt beziehungsweise der- oder diejenige Fehler im Antrag aufgrund besonders grober Verletzung der Sorgfaltspflicht übersehen hat.
Der Bescheid war in diesen Fällen von Anfang an rechtswidrig und die Leistungen hätten nicht bewilligt werden dürfen. Rückwirkend rechtswidrig wird ein Bescheid, wenn Ihre Angaben bei der Antragstellung noch korrekt waren, sich jedoch später an Ihren Lebensverhältnissen etwas grundlegend verändert hat. Darüber müssen Sie das Jobcenter umgehend informieren (innerhalb einer Woche ist ein guter Zeitrahmen), damit beim Jobcenter nicht der Eindruck entsteht, Sie hätten etwas verschweigen wollen.
Die Mitteilungspflicht gilt zum Beispiel wenn
- Ihr Partner oder Ihre Partnerin bei Ihnen einzieht, wodurch eine Bedarfsgemeinschaft entsteht
- Sie einen Minijob angenommen oder sich selbständig gemacht haben
- Ihr Einkommen für den Lebensunterhalt zu gering ist, Sie es durch Bürgergeld aufstocken und sich ihr Lohn erhöht
- Sie eine Erbschaft annehmen
Tritt der Erbfall ein, wenn Sie bereits Bürgergeld beziehen, zählt die Erbschaft als Einkommen, das Sie dem Jobcenter mitteilen müssen. Haben Sie geerbt, bevor Sie zum ersten Mal Bürgergeld beantragt haben, sollte die Erbschaft bereits als Vermögen berücksichtigt worden sein.
Aber auch über andere Änderungen Ihrer Lebenssituation wie Umzüge, Schwangerschaft, Wechsel der Krankenkasse oder Studienabschluss müssen Sie das Jobcenter informieren. Über das Online-Formular zur Veränderungsmitteilung geht das von zu Hause aus. Stattdessen können Sie das Formular zur Veränderungsmitteilung auch ausdrucken und Ihre neuen Angaben in Papierform beim Jobcenter einreichen.
Bemerkt das Jobcenter, dass Sie durch die neuen Gegebenheiten Anspruch auf weniger Bürgergeld haben, als Sie derzeit beziehen, kann Ihnen die Behörde einen Erstattungsbescheid zukommen lassen und darin die überzahlten Leistungen zurückfordern. Im Zuge dessen erlässt das Jobcenter häufig auch einen Aufhebungsbescheid.
Fehler des Jobcenters:
Auch Sachbearbeiter der Jobcenter können sich irren und so passiert es immer wieder, dass Bescheide falsch berechnet werden. Selbst wenn der Fehler nicht bei Ihnen liegt, müssen Sie Überzahlungen in der Regel zurückzahlen. War die Berechnung von Beginn an falsch, handeln Sie grob fahrlässig, wenn Sie den Fehler bemerken und das Jobcenter nicht darauf nicht hinweisen (§ 45 Absatz 2 SGB X).
Beispiel für eine gerechtfertigte Rückforderung:
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt gab beispielsweise der Rückforderung des Jobcenters im Fall eines Studenten Recht: Der hatte das Jobcenter zwar mehrfach darüber informiert, dass er ein Studium begonnen hatte, wodurch sein Anspruch erlosch. Er erhielt jedoch weiterhin Zahlungen, die er dem Jobcenter nicht mitteilte. Das Landesgericht entschied, dass die Rückforderung in Höhe von 1.035 Euro gerechtfertigt sei (Urteil vom 04.10.2012, Az. L 5 AS 18/09).
In anderen Fällen ist nicht so klar ersichtlich, ob die Rückforderung gerechtfertigt ist und sie werden vor Gericht entschieden:
Beispiel für eine ungerechtfertigte Rückforderung:
Ein Leistungsempfänger hatte einen Antrag auf Weiterbewilligung des Arbeitslosengelds II gestellt. Zwar hatte er noch keinen neuen Bescheid erhalten, aber das Jobcenter überwies ihm irrtümlich auch über den ursprünglichen Bewilligungszeitraum hinaus weiterhin Leistungen. Da der Antrag letztlich nicht bewilligt wurde, forderte das Jobcenter den überzahlten Betrag zurück. Das Sozialgericht Dortmund gab jedoch dem Mann Recht, der aufgrund der erhaltenen Zahlungen davon ausgegangen war, dass seinem Antrag stattgegeben wurde (Urteil vom 21.09.2016, Az. S 35 AS 1879/14).
Was tun bei Überzahlung vom Jobcenter?
Wenn Sie eine schriftliche Rückforderung von Leistungen durch das Jobcenter erhalten, haben Sie zunächst die Gelegenheit, schriftlich oder persönlich Stellung zu beziehen. Das Jobcenter unterzieht Ihren Fall dann einer sogenannten Vertrauensschutzprüfung.
Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass die Rückforderung gerechtfertigt ist, wird das Jobcenter Sie auffordern, die Überzahlung zu erstatten und gegebenenfalls auch die Bewilligung der Leistungen aufheben. Sie erhalten somit einen Erstattungsbescheid und je nach Fall auch einen Aufhebungsbescheid Ihrer Leistungsbewilligung.
Gegen beide Bescheide können Sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Während dieser Zeit müssen Sie die Rückforderung noch nicht erstatten. Das Jobcenter muss Ihren Widerspruch innerhalb von 3 Monaten prüfen und einen Bescheid erlassen. Bestätigt der Widerspruchsbescheid die Rückforderung, bleibt Ihnen nur die Möglichkeit vor dem Sozialgericht zu klagen.
Aufrechnungsbescheid
Sofern Sie weiterhin Leistungen beziehen, kann das Jobcenter seine monatlichen Auszahlungen mit dem Betrag verrechnen, den Sie der Behörde schulden. Auch einem Aufrechnungsbescheid können Sie widersprechen und solange darf die Behörde Ihre aktuellen Bezüge nicht kürzen.
Ist der Aufhebungsbescheid rechtskräftig, gilt folgendes:
- Üblicherweise behält das Jobcenter 10 Prozent des monatlichen Regelsatzes zur Aufrechnung ein.
- Hat sich ein Leistungsempfänger die Bezüge mit falschen Angaben erschlichen, liegt sozialwidriges Verhalten vor und das Jobcenter darf die monatlichen Zahlungen um bis zu 30 Prozent kürzen.
- Insgesamt darf das Jobcenter Ihre Bezüge höchstens über einen Zeitraum von 3 Jahren kürzen.
- Lag der Fehler in der Berechnung alleine beim zuständigen Sachbearbeiter und den oder die Leistungsempfänger*in trifft keine Schuld an der Überzahlung, darf das Jobcenter die Bezüge nicht kürzen.
- Kosten für Unterkunft, Heizung oder Mehrleistungen dürfen bei der Aufrechnung nicht angetastet werden, sondern nur der monatliche Regelsatz.
Tipp: Wenn Sie alleine nicht weiterkommen, kann eine Anwältin oder ein Anwalt Ihnen dabei helfen, richtig auf Forderungen und Bescheide des Jobcenters zu reagieren. Für die Kosten der Rechtsberatung können Sie Beratungshilfe beantragen. Vorab haben Sie auch die Möglichkeit, über die telefonische Rechtsberatung der Deutsche Anwaltshotline eine kostengünstige Ersteinschätzung Ihres Falls zu bekommen.
NEU: Bagatellgrenze bei Rückforderungen
Mit dem Bürgergeld wurde eine Bagatellgrenze von 50 Euro je Bedarfsgemeinschaft eingeführt (§ 40 Absatz 1 Satz 3-5 SGB II). Bis zu dieser Summe wird auf Rückforderungen verzichtet. Höhere Rückforderungen müssen Sie weiterhin in voller Höhe zurückzahlen. Sie sind auch weiterhin verpflichtet, dem Jobcenter unverzüglich und vollständig alle Änderungen Ihrer Lebensverhältnisse mitzuteilen.
Wie lange darf das Jobcenter Geld zurückfordern?
Wenn das Jobcenter eine irrtümliche Auszahlung bemerkt, hat die Behörde ein Jahr Zeit, um eine bereits bewilligte Leistung aufzuheben und Überzahlungen zurückzufordern (§ 45 Absatz 4 Satz 2 SGB X). Die Frist gilt nicht ab dem Zeitpunkt der Leistungsbewilligung, sondern sobald der Irrtum auffällt.
Bei zugesagten Leistungen für die Zukunft hat das Jobcenter 2 Jahre Zeit, den Bewilligungsbescheid aufzuheben. Im Fall arglistiger Täuschung verlängert sich die Frist auf 10 Jahre.
Beispiel:
Das Jobcenter sagt Leistungen für Januar bis Juni zu. Im Februar fällt auf, dass versehentlich falsch berechnet worden ist. Die Leistungen für Januar und Februar wurden jedoch schon ausbezahlt. Hier gilt die Frist von einem Jahr. Die Leistungen für März bis Juni liegen noch in der Zukunft, weshalb die Frist zur Aufhebung des Bescheides für diesen Zeitraum 2 Jahre beträgt.
Nach der Zustellung eines Erstattungsbescheids haben Jobcenter 4 Jahre Zeit, die Rückzahlungen des Leistungsempfängers auch tatsächlich einzufordern. Versäumt die Behörde dies, verjährt die Forderung. Diese Standardfrist gemäß §50 Absatz 4 SGB X beginnt mit Ende des Jahres, in dem der Erstattungsbescheid rechtskräftig wurde.
Gelegentlich erlässt das Jobcenter darüber hinaus einen Durchsetzungsbescheid (§ 52 Absatz 1 SGB X), der die Verjährungsfrist auf 30 Jahre verlängert. Das passiert jedoch seltener und zu Unrecht gezahlte Leistungen verjähren in der Regel nach 4 Jahren, wenn das Jobcenter sie nicht durchsetzt. Mahnungen alleine reichen übrigens nicht, um die 30-jährige Frist auszulösen.
Ich kann die Leistungen nicht zurückzahlen: Was gibt es für Möglichkeiten?
Falls Ihnen die Mittel fehlen, um die Forderungen des Jobcenters zurückzuzahlen, kontaktieren Sie so bald wie möglich Ihren Sachbearbeiter oder den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit, der die Forderungen einzieht. Unter Umständen können Sie einen Kompromiss schließen und die Forderung in Raten abzahlen oder stunden lassen und zu einem späteren Zeitpunkt begleichen.