Wenn der Arbeitgeber nicht zahlt: 5 Wege zur Durchsetzung Ihrer Gehaltsansprüche
Es ist schon Mitte des Monats und das Gehalt vom Vormonat ist noch immer nicht auf dem Konto? Wenn der Arbeitgeber nicht zahlt, sind viele Angestellte nicht nur äußerst sauer, sondern auch verunsichert: Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, um doch noch an Ihr Gehalt zu kommen?
Ein kurzer Überblick: Wenn der Arbeitgeber im Lohnrückstand ist
- Wenn der Arbeitgeber nicht pünktlich zahlt, befindet er sich ab dem ersten Tag des ausbleibenden Lohns automatisch im Zahlungsrückstand.
- Bringt auch eine Abmahnung mit Fristsetzung nichts, können Sie außerordentlich fristlos kündigen und/oder Ihr Gehalt einklagen.
- Sie haben nicht nur Anspruch auf das ausgebliebene Gehalt, sondern auch auf Verzugszinsen und gegebenenfalls Schadenersatz.
- Unter bestimmten Umständen steht Ihnen das sogenannte „Zurückbehaltungsrecht“ zu: Sie können die Arbeit dann verweigern.
- Sie können Ihrem Arbeitgeber entgegenkommen, indem Sie sich auf eine Stundung oder ein reduziertes Gehalt einigen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten: Weniger Gehalt führt im Ernstfall zu weniger Arbeitslosen- oder Insolvenzgeld!
Mein Chef zahlt den Lohn nicht (rechtzeitig): Was ist zu tun?
In den meisten Arbeits- und Tarifverträgen ist genau festgelegt, wann der Lohn zu entrichten ist. Ist Ihr Gehalt nicht pünktlich zu diesem Stichtag auf dem Konto, befindet Ihr Arbeitgeber sich ab dem Folgetag automatisch in Zahlungsverzug. Eine Mahnung ihrerseits bedarf es hierfür gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht.
Bevor Sie in Panik verfallen oder Ihren Chef zu Unrecht beschuldigen, sollten Sie allerdings abklären, ob der Lohnverzug tatsächlich von ihm verursacht wurde. Mitunter können auch Fehler in der Buchhaltung oder seitens der Bank für die verspätete Zahlung verantwortlich sein.
Achtung Ausschlussfrist!
Wenn das Gehalt ausbleibt, kann Eile geboten sein, denn viele Arbeitsverträge sehen eine sogenannte Ausschlussfrist vor. Dabei verfallen Ansprüche der jeweiligen Parteien nach einer bestimmten Zeit ersatzlos. Diese Frist beträgt meist zwischen drei und sechs Monate. Haben Sie Ihren Anspruch auf das verlorene Gehalt bis dahin nicht geltend gemacht, steht Ihnen das Geld nicht weiter zu.
Wenn Ihr Gehalt nicht rechtzeitig auf dem Konto oder Ihr Arbeitgeber bereits mehrere Monate in Rückstand ist, haben Sie zahlreiche Möglichkeiten, Ihre Ansprüche geltend zu machen: Diese reichen von verhältnismäßig diplomatischen Vorgehensweisen wie einer ersten Mahnung mit Fristsetzung bis hin zum eher drastischen Einklagen des ausbleibenden Lohns vor Gericht. Damit Sie nicht den Überblick verlieren und die passende Vorgehensweise für Ihre individuelle Situation wählen können, haben wir die einzelnen Schritte hier für Sie detailliert aufgeführt.
1. Schriftliche Zahlungsaufforderung mit Frist
Als erster Schritt empfiehlt sich immer die schriftliche Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung. Dabei weisen Sie Ihren Arbeitgeber ausdrücklich darauf hin, dass er sich mit den Lohnzahlungen in Verzug befindet und fordern, dass das ausbleibende Gehalt innerhalb einer angemessenen Frist überwiesen wird. Sieben Tage eignen sich hier gut: Ist Ihrem Chef nur ein Fehler unterlaufen, hat er genug Zeit, Ihnen den ausstehenden Betrag zu überweisen.
Formvorschriften für diese Zahlungsaufforderung gibt es nicht: Sie könnte sogar mündlich ausgesprochen werden, doch empfiehlt sich immer der Schriftweg. Sollte doch der Gang vor Gericht nötig sein, können Sie so beweisen, dass Sie Ihr Bestes getan haben, die Sache zunächst unkompliziert zu regeln. Ein Brief ist hierfür nicht nötig: Auch eine formlose E-Mail reicht aus.
Was den Inhalt betrifft, sollten Sie darauf achten, dass Sie nicht nur die Frist genau angeben, sondern auch den ausstehenden Betrag. Das könnten Sie etwa so formulieren:
„Mein Arbeitsentgelt für die Monate Mai und Juni 2017 ist bis heute nicht bei mir eingegangen. Der ausstehende Betrag beläuft sich auf 2.600 Euro.“
Machen Sie Ihrem Arbeitgeber außerdem klar, welche Konsequenzen es mit sich bringt, wenn er die angegebene Frist verstreichen lässt. Sie können Ihm beispielsweise mit Arbeitsverweigerung oder der Geltendmachung Ihrer Ansprüche vor Gericht drohen. Dies könnte so aussehen:
„Sollte die Frist ergebnislos verstreichen, sehe ich mich dazu gezwungen, von meinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch zu machen und meine Ansprüche gegebenenfalls vor Gericht geltend zu machen.“
2. Zurückbehaltungsrecht / Arbeitsverweigerun
Es gilt: Sie arbeiten und Ihr Chef bezahlt Sie dafür. Wenn die Bezahlung ausbleibt, können Sie im Umkehrschluss auch die Arbeit verweigern. Dieses Recht nennt man auch „Zurückbehaltungsrecht“ (§ 273 BGB). Wollen Sie nicht mehr zur Arbeit erscheinen, müssen Sie Ihren Arbeitgeber zuvor schriftlich von Ihrem Vorhaben und den Gründen dafür in Kenntnis setzen.
Allerdings gelten hierfür bestimmte Voraussetzungen:
- Die Lohnrückstände dürfen nicht zu gering sein: Wenn das Gehalt einmal etwas zu spät überwiesen wird, dürfen Sie nicht gleich beschließen, nicht mehr zur Arbeit zu erscheinen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Zahlungsrückstand von zwei bis drei kompletten Monatsgehältern die Arbeitsverweigerung rechtfertigt.
- Ist zu erwarten, dass die Verzögerung nur kurzfristig ist – beispielsweise weil ein lukrativer Auftrag kurzfristig ins Wasser gefallen ist – dürfen Sie die Arbeit nicht verweigern.
- Sie dürfen die Arbeit nicht verweigern, wenn Ihrem Chef dadurch ein unverhältnismäßig hoher wirtschaftlicher Schaden entstehen würde: Sind Sie beispielsweise für ein wichtiges Projekt verantwortlich, von dem das Wohl der ganzen Firma abhängt, können Sie sich nicht auf Ihr Zurückbehaltungsrecht berufen.
Ist die Arbeitsverweigerung gerechtfertigt, müssen Sie keine Sanktionen fürchten: Ihr Arbeitgeber darf Ihnen dann weder ordentlich noch außerordentlich kündigen. Auch eine Abmahnung darf dafür nicht ausgesprochen werden. Flattert Ihnen doch eine Abmahnung oder gar eine Kündigung ins Haus, sollten Sie schnell anwaltlichen Rat einholen.
3. Arbeitslosengeld beantragen
Arbeitslosengeld steht nicht nur Arbeitslosen zu: Auch wenn Sie in einem bestehenden Arbeitsverhältnis angestellt, aber de facto beschäftigungslos, sind, können Sie Arbeitslosengeld I beantragen. Diesen Anspruch bezeichnet man als Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld.
Machen sie also von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch, sind Sie ohne Beschäftigung und können Arbeitslosengeld beantragen. Bereiten Sie sich allerdings darauf vor, dass das Jobcenter Beweise für die gerechtfertigte Arbeitsverweigerung von Ihnen verlangen wird: Dabei kann es sich beispielsweise um Kontoauszüge handeln, welche belegen, dass Ihr Gehalt seit mehreren Monaten nicht mehr gezahlt wurde.
4. Abmahnung (und fristlose Kündigung)
Eine Abmahnung im Arbeitsrecht wird meistens vom Arbeitgeber ausgesprochen: Bleibt das Gehalt aus, haben aber auch Sie als Arbeitnehmer das Recht, Ihren Chef abzumahnen.
Die Abmahnung unterscheidet sich von der Zahlungsaufforderung mit Frist dahingehend, dass Sie die Voraussetzung für eine außerordentliche, fristlose Kündigung darstellt. Sie sollten also dann von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, wenn absehbar ist, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist – beispielsweise weil das ausbleibende Gehalt auch mehrere Kollegen betrifft und dies eine baldige Insolvenz Ihres Arbeitgebers andeutet. Wichtig ist außerdem, dass der Lohnrückstand erheblich sein, also mindestens zwei komplette Monatsgehälter betragen muss.
Sehen Sie sich also nach einem neuen Job um und möchten diesen möglichst zeitnah antreten, ebnet die Abmahnung Ihren Weg aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Sie haben dann außerdem Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB. Dieser beläuft sich in der Regel auf den Lohnverlust für die Kündigungsfrist. Vereinfacht gesagt wird dabei berechnet, wie viel Lohn Ihnen noch bei einer ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der Frist zugestanden hätte: Beträgt Ihre Kündigungsfrist drei Monate, muss Ihr Chef einen Schadenersatz in Höhe von drei Monatsgehältern zahlen. Außerdem ist eine Kompensation für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehen, wenn dieses unter dem allgemeinen Kündigungsschutz steht. Die Kompensation wird dabei ähnlich einer Abfindung berechnet und beträgt in der Regel ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.
Gut zu wissen: Auch für eine Abmahnung sieht die Rechtsprechung keine Formvorgaben vor: Eine E-Mail reicht. Allerdings müssen Sie auch hier Ihren Chef noch einmal zur Zahlung auffordern: Erst wenn diese innerhalb der von Ihnen genannten Frist nicht erfolgt, können Sie fristlos kündigen.
5. Einklagen der Lohnrückstände
Hilft alles nichts und sehen Sie keinen anderen Ausweg, können Sie Ihren Anspruch auch vor Gericht einklagen. Ist die Lohnklage erfolgreich, erhalten Sie einen Titel, das heißt ein Urteil oder einen vor dem Arbeitsgericht vereinbarten Vergleich. Dieser Titel ist vollstreckbar, was bedeutet, dass Sie nun bestimmte Maßnahmen ergreifen können. Darunter fällt beispielsweise die Kontopfändung oder das Hinzuziehen eines Gerichtsvollziehers.
Bei der Lohnklage geht es im Übrigen nicht nur um die Ausbezahlung des ausstehenden Lohns. Sie haben außerdem Anspruch auf Zinsen und gegebenenfalls auf Schadenersatz.
Verzugszinsen
Gemäß § 288 BGB stehen Ihnen bei ausbleibenden Gehaltszahlungen auch Verzugszinsen zu. Diese belaufen sich auf fünf Prozentpunkte über dem aktuellen Basiszinssatz.
Hier ein Rechenbeispiel:
Frau Meier erhält einen monatlichen Bruttolohn in Höhe von 2.600 Euro. Dieser blieb drei Monate lang aus, weshalb sie ihn vor Gericht einklagte. Zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung am 14.3.2018 betrug der Basiszinssatz -0,88 %. Gemäß § 288 BGB stehen Frau Meier Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Die Zinsen belaufen sich also auf 4,12 % p.a. Der Jahreszins beträgt also: 2.600 Euro x 4,12 % = 107,12 Euro. Pro Tag ergeben sich daraus Verzugszinsen in Höhe von 107,12 Euro / 365 = 0,30 Cent. Für die drei Monate stehen Ihr dementsprechend Verzugszinsen von 27 Euro zu.
Schadenersatz
Ist Ihnen als Arbeitnehmer durch das ausgebliebene Gehalt ein Schaden entstanden, so können Sie auch dessen Ersatz vor dem Gericht einklagen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Sie aufgrund der verspäteten Zahlung in den Dispo gerutscht sind oder Kreditraten nicht mehr begleichen konnten. Stellt Ihre Bank nun Forderungen an Sie, muss Ihr Chef Ihnen den finanziellen Schaden ersetzen.
Kann ich meinem Chef entgegenkommen?
Bevor direkt auf die oben genannten Vorgehensweisen zurückgegriffen wird, suchen die meisten Arbeitnehmer in der Regel erst das Gespräch mit dem Chef. Sind die Zahlungsrückstände darauf zurückzuführen, dass es der Firma gerade schlecht geht und dass sich vielleicht sogar eine Insolvenz abzeichnet, ist immerhin nicht nur das Gehalt, sondern unter Umständen auch der Job in Gefahr. Viele Arbeitnehmer sind daher durchaus gewillt, Ihrem Chef entgegenzukommen, um vorübergehende Engpässe gemeinsam zu überwinden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Zustimmung zu Gehaltskürzungen
Arbeitgeber bitten Ihre Angestellten bei finanziellen Engpässen nicht selten darum, vorübergehend ein reduziertes Gehalt zu akzeptieren. Als Arbeitnehmer sollten Sie dieser Bitte allerdings nicht direkt nachkommen – auch dann nicht, wenn Sie zum Wohle der Firma vorrübergehend auf 200 Euro im Monat verzichten können und wollen.
Die Gehaltsreduzierung geht nämlich mit Risiken für Sie einher, die dann eintreten, wenn der Verlust Ihres Jobs oder die Insolvenz Ihres Arbeitgebers schlichtweg nicht mehr vermieden werden können. Denn sowohl das Arbeitslosengeld als auch das Insolvenzgeld, welches Sie von der Agentur für Arbeit als Ersatz für das fehlende Entgelt bei Insolvenz erhalten, berechnen sich anhand Ihres Gehalts der letzten drei Monate. Stimmen Sie also zu, dass Ihr Gehalt gekürzt wird und tritt dann doch der Ernstfall ein, müssen Sie sich mit einem geringeren Arbeitslosen- oder Insolvenzgeld abfinden.
Eine weitaus weniger riskante Möglichkeit, Ihren Arbeitgeber zu entlasten, stellt die Stundung dar.
2. Stundung
Bei einer Stundungsabrede wird vereinbart, dass der Arbeitgeber sich für die festgelegte Dauer der Stundung nicht länger in Verzug befindet. Der Vorteil für den Arbeitgeber besteht darin, dass so unter Umständen eine Insolvenz vermieden werden kann. Die Stundung dient als eine Art Puffer, die dem Arbeitgeber dabei hilft, neue Aufträge oder Kunden an Land zu ziehen und die finanziellen Engpässe dadurch zu umschiffen.
Gut zu wissen: Ihre Lohnansprüche bleiben bei der Stundung in voller Höhe bestehen! Die Stundung stellt lediglich ein zeitliches Verschiebung der Fälligkeit dar. In anderen Worten: Sie bestehen weiterhin auf Ihr volles Gehalt, aber Sie räumen Ihrem Chef dadurch mehr Zeit ein.
Bevor Sie der Stundung allerdings direkt zustimmen, sollten Sie bedenken, dass auch diese mit bestimmten Zugeständnissen Ihrerseits einhergeht. Denn für die Dauer der Stundung…
- …können Sie Ihre Ansprüche nicht einklagen.
- …können Sie keine Verzugszinsen oder Schadenersatz geltend machen.
Außerdem müssen Sie bedenken, dass auch die Stundung Einfluss auf Ihr Zurückbehaltungsrecht haben kann. Ist Ihr Arbeitgeber beispielsweise mit dem Januar- und Februar-Gehalt in Rückstand, könnten Sie die Arbeit verweigern. Unterzeichnen Sie jedoch eine Stundungsvereinbarung, wonach Ihr Chef einen Monat lang für das Februar-Gehalt von der Fälligkeit befreit wird, können Sie für die Dauer der Stundung keinen Gebrauch mehr von Ihrem Zurückbehaltungsrecht machen. Denn durch die Stundung ist der Arbeitgeber nur noch mit einem Monatsgehalt im Rückstand und dieser geringe Verzug rechtfertigt keine Arbeitsverweigerung.
Sie wollen Ihrem Chef entgegenkommen, aber möchten zuvor genau abklären, welche Risiken damit verbunden sind? Fragen Sie einfach einen der selbstständigen Kooperationsanwälte der Deutschen Anwaltshotline! Sie können Sie genau austarieren, ob und wie Sie Ihren Chef möglichst risikofrei unterstützen können.