Partnervermittlung: So kündigen Sie Parship und Co.

10:58… 10:59… 11:00… Voller Vorfreude auf die künftige Zweisamkeit haben Sie ein kostenpflichtiges Konto bei einem Dating Portal eröffnet und obwohl Sie schon länger als die berüchtigten 11 Minuten gewartet haben, war noch immer kein passender Vorschlag dabei? Auf die Vorfreude folgen Selbstzweifel: Ist das lichter werdende Haupthaar auf Ihrem Profilbild zu prominent? Wird es vielleicht doch langsam Zeit für Anti-Aging-Cremes und Detox-Tees? Oder haben Sie einfach doch nicht das nötige Niveau für die Akademiker-Singlebörse? Gute Nachrichten: Vielleicht liegt es ja gar nicht an Ihnen, sondern am Dating Portal!

Autor:  Redaktion DAHAG Rechtsservices AG.

Teurer Widerruf: 393 Euro für 9 Absagen

Die Online-Suche nach Mr. oder Mrs. Right beginnt häufig mit einem kostenlosen Account, denn bei vielen Dating Portalen fallen für die reine Registrierung noch keine Kosten an. Mit diesem Test-Account können Sie zwar einige Grundfunktionen der Seiten nutzen, doch sind wichtige Features wie etwa das Versenden und Empfangen von Nachrichten oder das automatische Matching mit anderen Singles deaktiviert. Erst wenn Sie aus der kostenfreien Mitgliedschaft ein kostenpflichtiges Abo machen, können Sie den Service vollumfänglich nutzen und endlich auf die Suche nach der großen Liebe gehen.

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, denken sich dann viele neugierige Singles und klicken unbedarft auf den Button mit der Aufschrift „Premium-Mitgliedschaft abschließen“. Immerhin ist die Sache mit dem 14-tägigen Widerrufsrecht bei Fernabsatzgeschäften, die über das Telefon oder online geschlossen werden, längst kein Geheimnis mehr. Was viele aber nicht wissen: „Der Vertrag kann zwar innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen widerrufen werden. Da die Singlebörse jedoch in Vorleistung geht und der Service direkt ab Vertragsschluss genutzt werden kann, darf sie eine Wertentschädigung verlangen“, warnt Ernst Hecht, selbstständiger Kooperationsanwalt der DAHAG Rechtsservices AG.

So erging es unter anderem einem Finanzberater aus Münster: Der Mann stellte innerhalb der zweiwöchigen Widerrufsfrist fest, dass das Online-Dating doch nichts für ihn ist. Da er jedoch schon mehrere Singles kontaktiert hatte, verlangte das Dating Portal eine Entschädigung in Höhe von 393 Euro.

Der hohe Preis erklärt sich wie folgt: Das Portal berechnet den Wertersatz anhand der geknüpften Kontakte. Pro Jahr garantiert es sieben davon. Da der Single aus Münster innerhalb der ersten zwei Wochen neun Kontakte geknüpft hat, hat er gemäß der Logik des Portals schon die Leistungen für mehr als ein Jahr erhalten. Laut AGB muss er dafür zwar nicht den vollen Betrag, aber immerhin die maximale Entschädigung von drei Vierteln des Mitgliedschaftsbeitrags zahlen. Und es kommt noch schlimmer: Auch wenn der kontaktierte Single direkt mit einem „Kein Interesse“ reagiert, wird das als Kontakt gewertet.

Wer in diese virtuelle Liebesfalle getappt ist, sollte das Dating Portal am besten auf relevante Gerichtsurteile verweisen. Meist stellen sich die Richter nämlich auf die Seite des Kunden: Im oben genannten Fall urteilte das Amtsgericht Hamburg, dass die Wertentschädigung nicht nach Kontakten, sondern zeitbezogen zu berechnen ist. Da der Finanzberater den Service nur wenige Tage genutzt hatte, muss er auch nur für wenige Tage zahlen. So hielten die Richter einen Wertersatz von rund 20 Euro für angemessen (Az. 8b C 71/17). Insgesamt verurteilte das Amtsgericht Hamburg Partnerbörsen in den letzten Jahren mehr als zwanzigmal zur Rückerstattung des überhöhten Wertersatzes.

„Auch wenn Sie in der Vergangenheit von der Dating-Masche betroffen waren, besteht unter Umständen noch immer die Möglichkeit, dagegen vorzugehen und Ihr Geld zurückzufordern. Ihre Ansprüche verjähren erst drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem Sie Ihre Mitgliedschaft widerrufen haben“, erklärt Rechtsanwalt Ernst Hecht aus Berlin.

Update vom 08.10.2020

Der EuGH hat nun höchstrichterlich entschieden, dass Parship nur einen anteiligen Wertersatz verlangen kann. Im vorliegenden Fall hatte eine Frau 524 Euro gezahlt. Sie erklärte sich damit einverstanden, dass Parship bereits vor Ablauf der Widerrufsfrist tätig wird. Nur 4 Tage später entschied sie sich aber dazu, den Vertrag zu widerrufen. Parship wollte von den 524 Euro lediglich 130 Euro zurückerstatten: Immerhin habe bereits ein Persönlichkeitstest stattgefunden und auch ein 50-seitiges Gutachten sei erstellt worden. Der EuGH entschied nun, dass ein anteiliger Wertersatz zwar in Ordnung sei – aber nicht in dieser Höher. Das Geld für Persönlichkeitstest und Gutachten hätte Parship nur dann in voller Höhe einbehalten dürfen, wenn Parship die beiden Dienste klar als Einzelleistungen gekennzeichnet und nicht in Verbindung mit einem Abo angeboten hätte (Az. C-641/19).

Update vom 17.06.2021

Der Bundesgerichtshof folgt der Rechtsprechung des EuGH und entschied im Juni 2021 ebenfalls, dass Plattformbetreiber nur einen zeitanteiligen Wertersatz für bereits erbrachte Leistungen verlangen dürfen. In diesem Fall erklärte die Klägerin einen Tag nach Abschluss des Abos Widerruf. Da sie zu der Zeit bereits Partnervorschläge erhalten hatte, forderte das Portal einen Wertersatz in Höhe von knapp 200 Euro. Zwar sei ein Wertersatz in dem Fall gerechtfertigt, so der BGH, doch nur zeitanteilig. Für den einen Tag muss die Klägerin lediglich 1,46 Euro zahlen (Az. III ZR 125/19).

Update vom 24.01.2022

Das Bundesamt für Justiz hat eine Musterfeststellungsklage gegen das Online-Partnervermittlungsportal "Parship" eröffnet. Kläger ist die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), die Klauseln zur automatischen Vertragsverlängerung in den AGB von Parship für unwirksam hält. Nutzer*innen sollten jederzeit fristlos kündigen können. Bei der Verbraucherzentrale finden Sie alle Infos zur Musterfeststellungsklage und können auch prüfen, ob ihr Fall zur Klage passt. Betroffene können sich bis spätestens 20.09.2023 zur Klage anmelden.

Sonderkündigungsrecht: Geben Sie der Single-Börse einen Korb!

Ist die Widerrufsfrist bereits abgelaufen und Sie haben erst jetzt festgestellt, dass Sie sich doch lieber auf dem herkömmlichen Weg nach einem Partner umsehen wollen? Oder haben Sie vergessen die Kündigungsfrist einzuhalten und nun hat sich Ihre Mitgliedschaft um ein weiteres Jahr verlängert? Dann können Sie unter Umständen von Ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen.

Entscheidend ist dabei der kleine, aber feine Unterschied, ob es sich bei dem von Ihnen gewählten Portal lediglich um eine Singlebörse oder um eine Partnervermittlung handelt. Bei ersterer wird nur eine technische Plattform zum reinen Austausch zur Verfügung gestellt, wie es etwa bei Tinder der Fall ist. Bei der Partnervermittlung hingegen werden Ihnen anhand einer Persönlichkeitsanalyse oder anderer Tests Singles vorgeschlagen, die gut zu Ihnen passen könnten.

Zahlen Sie für die Kommunikationsplattform, handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag. Sie können in diesem Fall nur außerordentlich kündigen, wenn Sie triftige Gründe dafür haben. Einer wäre beispielsweise, wenn die Plattform ihre Werbeversprechen nicht hält oder den Service signifikant eingeschränkt hat. „Bei der Partnervermittlung mit Persönlichkeitstests und Single-Matching hingegen handelt es sich nach Ansicht vieler Gerichte um sogenannte Dienste höherer Art gemäß § 627 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Da diese ein besonderes Vertrauensverhältnis zum Vertragspartner voraussetzen, können sie jederzeit und ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt werden“, so Rechtsanwalt Hecht.

Der BGH hat bereits in zwei Präzedenzfällen von 1987 und 1990 festgehalten, dass es sich bei „Partnervermittlungsdienstverträgen“ um Dienste höherer Art handelt (Az. IV a ZR 99/86 und IV ZR 160/89). Im April 2014 berief sich das Landgericht Traunstein auf diese Auslegung und fügte an, dass es dabei keine Rolle spiele, ob die Partnervermittlung offline oder online tätig werde. Ein Auszug aus der Urteilsbegründung: „Entscheidend ist nicht, ob der Vermittler einen Karteikasten mit Kundenkarten und Kundenfotos hat oder ob er die Personendaten und Kundenbilder in einen Rechner eingibt. Entscheidend ist auch nicht, ob der Vermittler die Affinität zweier Charaktere durch seine Erfahrung ermittelt oder durch einen Computer“ (Az. 1 S 3750/13).

„Sollte die Partnervermittlung Ihre vorzeitige Kündigung nicht akzeptieren, sollten Sie argumentieren, dass es sich dabei um Dienste höherer Art gemäß § 627 BGB handelt. So können Sie das Unternehmen unter Zugzwang setzen und mitunter eine Einigung erzielen. Stellt sich das Portal weiterhin quer, sollten Sie sich juristischen Rat holen“, rät Rechtsanwalt Hecht. 

Fazit: Die Chance auf die große Liebe beträgt 2 Prozent

Die Online-Partnersuche wird immer beliebter und sicher haben auch Sie im Bekanntenkreis ein Pärchen, das sich über Parship, Elitepartner oder vielleicht sogar Tinder kennen und lieben gelernt hat. Wenn auch Sie Ihr Glück auf diese Art und Weise versuchen wollen, gilt es zuvor die rosarote Brille abzusetzen: Fallen Sie nicht auf verlockende Schnupperabos herein und lassen Sie sich nicht abschrecken, wenn die Partnervermittlung Ihre Kündigung nicht akzeptiert.

Und sollte es nach 11 Minuten tatsächlich nicht gefunkt haben, haben wir hier noch einen kleinen Realitäts-Check für Sie: Rechnet man genau nach und beachtet dabei die geschätzt 5 Millionen Mitglieder der besagten Single-Börse, ist die Liebe „alle 11 Minuten“ eine erstaunlich schlechte Quote. Rein rechnerisch beträgt die Wahrscheinlichkeit sich zu verlieben für ein zufällig ausgewähltes Mitglied pro Jahr lediglich 2 Prozent. Das vermeintlich hoffnungsfrohe Werbeversprechen wurde dafür vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung e.V. zur Unstatistik des Monats Dezember 2015 gewählt.


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